Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 24.02.2006
Das Geld ist futsch
Aufbau Ost. Leichtfertig haben die neuen Länder auf Fördermittel für die Wirtschaft verzichtet.
Der Einsatz der Bundeskanzlerin aus dem Osten war vergeblich. Angela Merkel „persönlich“, erzählen jetzt ihre Parteifreunde in Berlin, habe sich in der Bundestagfraktion der Union vehement für den Erhalt der Ost-Hilfen in voller Höhe eingesetzt.
Nun sind rund 85 Millionen Euro fürs nächste Jahr weg. Und wie immer in solchen Fällen, braucht es einen Schuldigen. Einige haben für diese Rolle den sächsischen SPD-Wirtschaftsminister Thomas Jurk geortet. Jurk hat gute Chancen. Sein Haus hat im Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) nicht laut Nein, sondern leise Ja gesagt.
Ein handfester Konflikt
Die Gemengelage ist übersichtlich. Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister wollten sich die 100 Millionen Euro Hilfsgeld sparen, das noch in den Westen überwiesen wird. Dort sperrte man sich. „Natürlich haben wir dabei einen handfesten Ost-West-Konflikt“, heißt es in Berlin. Nur hat ihn auf Ostseite niemand ausgetragen. Schon nach 20 netten Minuten war die Sitzung vorbei.
Jurk mühte sich gestern, auch angesichts der Vorwürfe vom CDU-Koalitionspartner, die Lage verbal zu entschärfen. „Sachsen hat nur unter Vorbehalt zugestimmt“, sagte er der SZ. Und dass sich das Dresdner Kabinett noch damit befassen werde. Außerdem könnten all die, die sich jetzt auf CDU-Seite aufregen, im Bundestag die Gelder für die GA wieder aufstocken. In der Theorie mag das stimmen. Richtig ist auch der Einwand Jurks, auch alle anderen Ost-Länder hätten zugestimmt. Nur: Anders als Sachsen haben die zuletzt die GA-Förderung gar nicht vollständig abgerufen. Der Freistaat hat aus dieser Masse 2005 dagegen sogar 20,7 Millionen Euro zusätzlich bekommen. In Berlin glauben selbst Parteifreunde Jurks nicht mehr an eine Rettung des Westgelds: „Die Kohle ist futsch.“ Die Ostländer hätten, so die Einschätzung, ihre eigentlich gute Position leichtfertig geräumt.
Die Ost-Grünen haben unterdessen die Ministerpräsidenten der neuen Länder aufgefordert, bei ihrem heutigen Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel um den Erhalt der regionalen Fördermittel zu kämpfen. „Die Gemeinschaftsaufgabe ist die denkbar schlechteste Stelle zum Kürzen“, sagte die grüne Fraktionschefin im Dresdner Landtag, Antje Hermenau, der SZ. Sie sei das einzige Instrument im Korb II des Solidarpaktes, mit dem Forschung und Entwicklung gefördert werden könne. Hermenau schlug vor, die bisher nur im Osten gezahlte Investitionszulage auch auf strukturschwache Westregionen auszudehnen, wenn die GA-Mittel in vollem Umfang erhalten bleiben.
Antragsstau aufgelöst
Erst vor drei Wochen hatte Sachsenmetall-Präsident Andreas Huhn sich bei Jurk dafür bedankt, dass wieder mehr Geld aus dem GA-Topf bereit steht. Im vergangenen Jahr hatten sich sächsische Unternehmer beklagt, dass sie befreundeten Investoren die Ansiedlung in Sachsen warm empfahlen – aber dann das Fördergeld nicht reichte. Mehrere Firmen auf der Suche nach einem neuen Standort zogen deshalb nach Sachsen-Anhalt und Brandenburg statt nach Sachsen. Die landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft stünde nach Angaben ihres Geschäftsführers Markus Lötzsch „auf ganz verlorenem Posten“, wenn sie Investoren keine Förderung anbieten könnte.
Ende 2004 stauten sich 680 Anträge auf Investitionsförderung bei der Sächsischen Aufbaubank, die für die Prüfung der Anträge zuständig ist. Von „Hinhalten“ war in den sächsischen Arbeitgeberverbänden die Rede – und davon, dass der Freistaat doch lieber offen sagen solle, dass das Geld nicht da ist. Der Stau ist inzwischen aufgelöst, heißt es beim Arbeitgeberverband.
Von Peter Heimann und Georg Moeritz