Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 01.03.2006
"Sexmonster" entging durch Recherchefehler
Es war menschliches Versagen, das dazu geführt hat, dass Mario M. durchs Raster der "Sonderkommission Stephanie" gefallen ist. Denn die Adresse des vorbestraften Sexualverbrechers aus der Laubestraße in Striesen stand richtig im "Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen" (PASS), seit er während seiner Bewährungszeit im November 2004 in Bautzen einen Rentner brutal in einer Tür eingeklemmt hat. Die Soko hätte also früher bemerken müssen, dass der 35-Jährige in der Nachbarschaft von Stephanies Familie wohnt. Hat sie aber nicht, weil ein Beamter bei der Suche nach einschlägig bekannten Tätern aus Striesen nicht genau genug gearbeitet hat.
Ein Computerklick zu wenig
Der "erfahrene Beamte", wie Landespolizeipräsident Klaus Fleischmann den Fahnder beschrieb, suchte in PASS nach "Sexualstraftätern". Dieser Suchbegriff ist seit Herbst 2002 aktuell. Damals einigten sich die Innenminister bundesweit auf diese Formulierung, um Sexualverbrecher besser von solchen Straftätern trennen zu können, die etwa nach einem Ehebruch handgreiflich geworden sind. Alle Sextäter, die vor Herbst 2002 in das System aufgenommen worden sind, wurden aber unter dem Begriff "sexuell motivierte Straftaten" geführt. So auch Mario M., der 1999 wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden ist. Bei der Recherche der Soko, die im Postleitzahlenbereich von Stephanies Familie per Computerabfrage 50 Sexualstraftäter gefunden hat, tauchte er deshalb nicht auf. "Der Ermittler hat den Klick zusätzlich nicht gemacht", beschrieb Fleischmann den Recherchefehler, "Sexualstraftäter" seien per Computer abgefragt worden, aber eben nicht zusätzlich auch "sexuell motivierte Straftaten".
Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) lehnte es gestern ab, die Frage nach personellen Konsequenzen in der Polizeidirektion (PD) zu beantworten. Die Pressestelle der PD Dresden, deren Chef Dieter Hanitsch vor Wochenfrist eine Stellungnahme zur Untersuchung der Ermittlungsarbeit im "Fall Stephanie" angekündigt hat, war gestern noch nicht bereit, sich zu den Ergebnissen der Prüfer zu äußeren. Der Bericht, den Beamte der PD Chemnitz angefertigt haben, müsse erst vorliegen und studiert werden, begründete die Pressestelle.
Fleischmann berichtete gestern, mittlerweile sei in das Programm der Warnhinweis eingebaut worden, dass zusätzlich nach "Sexualstraftätern" auch der seit Herbst 2002 nicht mehr aktuelle Suchbegriff eingegeben werden müsse. Buttolo will außerdem, dass die sächsischen Polizeibeamten künftig mehr Rechercheschulungen besuchen, um solchen Fehlern vorzubeugen. Außerdem sollen sich künftig bei Umzügen von Verbrechern wie Mario M. die Polizeidienstellen gegenseitig über Wegzug und Zuzug informieren. Mit Justizminister Geert Mackenroth (CDU) will Buttolo Möglichkeiten suchen, besonders gefährliche Straftäter wie "Sexmonster" Mario M. auch nach deren Haftentlassung unter besondere Beobachtung stellen zu können.
Dass dessen Umzug aus der Neustadt nach Striesen nicht auch per Datentransfer vom Ordnungsamt der Stadt an die Polizei weitergeleitet wurde, lag nach Auskunft von Buttolo an einem Programmierfehler. Der Fehler im Meldesystem der Stadt sei inzwischen behoben. "Dieser Fehler fiel aber nicht ins Gewicht", so der Innenminister.
Schlussfolgerung war "kühn"
Daraus zu schlussfolgern, deshalb sei Mario M. der Soko Stephanie durch die Lappen gegangen, wie PD-Chef Dieter Hanitsch das vergangene Woche getan hatte, sei kühn, sagte Landespolizeipräsident Fleischmann. Und es war falsch. Denn der Fehler war eben keine Computerpanne, sondern ein echter Recherchefehler. Hanitsch habe nicht gelogen, wehrte Fleischmann entsprechende Vorwürfe ab, nur unter Zeitdruck die falsche Schlussfolgerung gezogen.
Buttolo und Fleischmann räumten gestern ein, die Ermittlungspanne sei ein reiner Polizeifehler gewesen. "Das war unser Fehler", bedauerte Fleischmann. "Und dieser Fehler hatte diese Auswirkungen", fügte er hinzu, ohne noch einmal konkret auf das Leiden der 13-jährigen Stephanie einzugehen.
Christoph Springer