Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.03.2001
Roßberg: Erst Dresden, dann die Parteipolitik
OB-Kandidat der Bürgerinitiative läutet mit süßen Versprechen den Wahlkampf ein
DRESDEN. Ingolf Roßberg (FDP) hat den OB-Wahlkampf in Dresden eröffnet. Mit Sach- statt Parteipolitik sowie Bürgernähe will sich der Kandidat einer Bürgerinitiative gegen den CDU-Amtsinhaber durchsetzen.
"Wer als Dresdner in Dresden etwas werden will, muss rechtzeitig die Stadt verlassen", las Thomas Rosenlöcher gestern aus seinen Werken und erntete dafür ein Schmunzeln. Der Schriftsteller gehört zur Bürgerinitiative "OB für Dresden", die Ex-Stadtentwicklungs-Dezernent Ingolf Roßberg (FDP) als Kandidaten nominiert hat. Roßberg, der inzwischen Dezernent in Wuppertal ist, meldete sich am Sonntag ebenso rechtzeitig in Dresden zurück und stellte sich im Kulturrathaus der Öffentlichkeit. Der Saal war mit 150 Zuhörern übervoll - darunter Politiker von SPD, PDS, Grünen und FDP, die sich mit SPD-Ausnahme noch nicht zu seiner Unterstützung bekannt haben.
Roßberg präsentierte sich betont als Lokalpatriot. Seine Familie sei bereits seit 1910 in Dresden. "Ich war begeisterter Pioniereisenbahner", sagte der 39-Jährige. Auch wenn er seit vergangenem Jahr in Wuppertal lebe, sei er noch in diversen Dresdner Vereinen aktiv. Demnächst wolle er dem Verein historischer Neumarkt beitreten. Roßberg: "Ich wäre der erste waschechte Dresdner OB seit dem Krieg."
Obwohl Roßberg sein Wahlprogramm erst Anfang April vorstellen möchte, wartete er mit ersten Details auf. Da er als unabhängiger, parteiübergreifender Kandidat antrete, begreife er auch das OB-Amt als solches. "Für mich kommt zuerst Dresden, dann die Parteipolitik", sagte er. Seine "neue Politik" habe vier Eckpunkte: wirtschaftlicher Aufschwung als Chefsache; Förderung von Kunst und Kultur auf allen Ebenen; Kommunikation im Rathaus und Bürgernähe; Haushaltskonsolidierung ohne Tabus. "Meine erste Amtshandlung wäre ein Kassensturz, um zu sehen, welche Projekte wir uns leisten können", sagte Roßberg. Dabei stehe er durchaus für eine Waldschlösschenbrücke - aber nicht für eine, die immer teuerer werde und damit zu Lasten von freien Trägern und Kultur gehe.
Die anschließende Frage-Runde geriet zur "Wünsch-Dir-was-Veranstaltung", wobei sich ein Problem offenbarte: Viele Dresdner hoffen, dass sich der künftige OB mehr ihrer Sorgen annimmt. Roßberg versprach regelmäßige Versammlungen und Bürgersprechstunden. "Ich führe einen Treffpunkt Rathaus ein. Bürgerbriefe sollen in sieben Tagen beantwortet sein", erklärte er.
Den Vorwurf, 1990 bis 94 "Verhinderungs-Dezernent" gewesen zu sein, wies er von sich: "Ich bin stolz, dass in der Zeit des wilden Ostens nichts passiert ist, was nicht wieder gutzumachen wäre", sagte er.
Von seiner eigenen Partei bezog Roßberg am Wochenende Schelte. Seine Kandidatur für ein linkes Bündnis sei politisch kontraproduktiv und stilistisch schlecht, kritisierten Landesvorstand und Kreisvorsitzende der FDP. Ende März soll der Kreisparteitag entscheiden, ob die Liberalen ihren Mann unterstützen. Landeschef Holger Zastrow: "Dabei geht es weniger um die Person Roßbergs als um den künftigen FDP-Kurs - bürgerliche Politik oder Linksruck."
(Katrin Saft)