Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 14.03.2006
"Jeder facht das Feuer an"
Dresden. An positiven Verlautbarungen herrscht derzeit kein Mangel. Sachsens CDU/SPD-Koalition sei "nicht in der Krise", meinte SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss vor Tagen, "der Hund bellt, die Karawane zieht weiter". Und auch für CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer besteht kein Anlass zur Sorge. Das Bündnis stehe, "wir wollen bis 2009 regieren". Für solche Statements mit Beschwichtigungscharakter haben die Koalitionäre einigen Grund. Seit mehreren Wochen knirscht es erheblich im schwarz-roten Bündnis, das Klima wird schlechter.
Bestes Beispiel für die angespannte Lage ist der Streit um die Schulpolitik. Erst musste Kultusminister Steffen Flath (CDU) nach Kritik sein Privatschulgesetz zurückziehen, dann ging CDU-Fraktionschef Fritz Hähle den Koalitionspartner direkt an. "Tief enttäuscht" sei er, dass die SPD den Gesetzentwurf blockiert habe, gab Hähle zu Protokoll - was wiederum Martin Dulig auf die Palme brachte. Das CDU-Gesetz sei "ein Entwurf der Administration", meinte der SPD-Bildungsexperte, gut, dass es vom Tisch sei.
Querelen dieser Art häufen sich in letzter Zeit. Ob beim Thema Aufbau Ost von SPD-Chef Thomas Jurk oder bei Europäischen Fördermitteln - immer wieder lagen sich die Koalitionäre in den Haaren. Hinzu kommen die Dauerbaustellen Verwaltungsreform (siehe unten), Polizeiabbau oder das Hochschulgesetz. Intern räumen das die Koalitionsspitzen auch ein. "Wir haben mehrere kleine Brandherde", meint ein SPD-Mann, "es gibt eine Kette von Ärgernissen."
Dabei hat keiner der Partner ein ernsthaftes Interesse an Eskalation. Vor allem Regierungschef Georg Milbradt (CDU) scheint fest entschlossen zu sein, die Koalition fortzusetzen, und auch die SPD-Seite kann bis zum Wahltermin 2009 nur gewinnen. Hinzu kommt Berlin. Wie in Sachsen regiert auf Bundesebene eine schwarz-rote Koalition, ein vorzeitiges Scheitern im Freistaat passt da wenig ins Konzept.
Für die Störung des Hausfriedens in Sachsen sorgen eher andere Problemfelder. Zum einen stehen in Kürze Etatberatungen an und beide Seiten versuchen, sich in Stellung zu bringen. "Jeder facht das Feuer an, um sich das Austreten bei den Haushaltsverhandlungen teuer bezahlen zu lassen", bringt ein SPD-Mann das Prozedere auf den Punkt. Darüber hinaus geht es um Christoph Habermann. Der ist Staatssekretär im Wirtschaftsressort unter Jurk, faktisch aber der entscheidende SPD-Strippenzieher im Kabinett.
Das macht Habermann zum Lieblingsfeind der Sachsen-Union. "Mit den SPD-Ministern Jurk und Ludwig kommen wir gut zurecht", heißt es aus CDU-Führungskreisen, "im Umfeld aber gibt es einige Chefideologen". Das sorgt immer wieder für Reibung im Bündnis, zum Bruch aber dürfte es nicht führen - zumindest vorerst nicht.
Ändern könnte sich das 2009. Grund ist die Tatsache, dass dann Wahlen für den Bundes- und den sächsischen Landtag zeitgleich anstehen. Hier treibt die CDU die Sorge um, den Kürzeren zu ziehen. Denn bisher schnitt die Sachsen-Union auf Bundesebene stets erheblich schlechter ab als bei Landtagswahlen - rund zwölf Prozentpunkte minus. Wenn beide Urnengänge auf denselben Stichtag fallen, lautet die Befürchtung in der Union, könnte das die Wiederwahl von Milbradt verhageln. CDU-Strategen planen deshalb schon heute, die beiden Wahlgänge zu trennen - oder das Bündnis halt doch vor 2009 platzen zu lassen.
Jürgen Kochinke