Karl Nolle, MdL
Berliner Zeitung, 05.04.2006
Spitzel gegen Biedenkopf
Skandal um sächsische Landesbank weitet sich aus
BERLIN. Seit Juni vergangenen Jahres bemüht sich ein Untersuchungsausschuss des Dresdner Landtages, das Geschäftsgebaren der tief in die Verlustzone abgerutschten sächsischen Landesbank (SachsenLB) aufzuklären. Nachdem die Affäre um faule Immobilienkredite, teure Dienstwagen und Vermögensverschiebungen anfangs noch für Schlagzeilen gesorgt hatte, ist das öffentliche Interesse an dem Bankskandal längst eingeschlafen. Nach einer spektakulären Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss könnte sich das jetzt aber ändern, denn nun stehen neue Vorwürfe im Raum. Demnach soll die SachsenLB von der Scientology-Sekte unterwandert sein. Außerdem hätten Spitzenmanager der Bank einen Detektiv damit beauftragt, den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf auszuspionieren.
Von Scientology unterwandert?
Die Vorwürfe stammen von Andreas von der Weide-Thiemig, der sich als Fachmann für "forensische Wirtschaftsrecherchen" bezeichnet. Thiemig, der am späten Montagnachmittag als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss aufgetreten war, hatte nach eigener Aussage jahrelang Recherchen für die damalige Vorstandschefin der inzwischen bankrotten SachsenLB-Tochter Mitteldeutsche Leasing (MDL), Andrea Braun, ausgeführt. So habe Braun ihn unter anderem damit beauftragt, mögliche Kontakte Biedenkopfs zu NPD-Funktionären herauszufinden. Anlass für den Schnüffel-Auftrag war nach Thiemigs Worten ein Geheimgutachten über die SachsenLB und die MDL, das die NPD vor Jahresfrist erhalten und öffentlich gemacht hatte.
Thiemig zufolge vermuteten die MDL-Managerin und ihr Lebensgefährte, der inzwischen geschasste SachsenLB-Chef Michael Weiss, dahinter Biedenkopf, der einen befreundeten Unternehmer in dessen Schadenersatzforderungen gegen die SachsenLB unterstützt. Trotz seiner aufwändigen Recherchen - Thiemig will 17 Angestellte damit beschäftigt haben - seien keine Kontakte Biedenkopfs in die rechte Szene festgestellt worden.
Schwer wiegt auch die Behauptung des Wirtschaftsdetektivs, Scientology übe Einfluss auf das sächsische Geldinstitut aus. Laut Thiemig kenne er mehrere Mitarbeiter der Bank, die das bezeugen könnten. Auch habe die SachsenLB sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag an einem Filmfonds für eine Hollywood-Produktion bekannter Scientologen beteiligt.
Die CDU sprach nach der Anhörung Thiemigs von "Phantasie- geschichten eines dubiosen Zeugen". Für die Linkspartei hat sich dagegen eine "bislang ungeahnte Dimension" des Bankskandals eröffnet. Fraktionsgeschäftsführer André Hahn forderte eine gründliche Aufklärung der Angaben Thiemigs durch den Untersuchungsausschuss, sollten die vom Zeugen dem Ausschuss versprochenen Beweismittel dessen Aussagen stützen.
Andreas Förster