Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 10.05.2006
Für Peter Porsch wird es ernst
Dresden. Der Fall ist seit fast zwei Jahren bekannt, jetzt wird es ernst für den Fraktionschef der Linkspartei in Sachsen. Morgen wird sich der Landtag zu den Stasi-Vorwürfen gegen Peter Porsch positionieren, Ziel ist die Aberkennung des Mandats. Für die so genannte Abgeordnetenanklage ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Dass diese zustande kommt, gilt als relativ wahrscheinlich. Dann muss das Landesverfassungsgericht in Leipzig darüber entscheiden.
Für den Linksfraktionär ist das die Fortsetzung einer alten, peinlichen Geschichte. Bereits kurz vor der Landtagswahl 2004 kursierten erste Akten aus MfS-Archiven. Darin geht es um Spitzeltätigkeiten von Porsch als "IM Christoph" in der Leipziger Literatenszene in den 80er Jahren. Der Fraktionschef selbst hat bisher jeglichen Stasi-Kontakt bestritten und betont, er sei allenfalls "abgeschöpft" worden - ohne sein Wissen.
Bei dem Szenario im Landtag aber geht es im Kern kaum mehr um diese Frage. Viele Abgeordnete von CDU, SPD, FDP, Grünen und selbst der Linkspartei bezweifeln, dass der eloquente Professor naiv genug war, das Spiel des MfS nicht zu durchschauen. Im Mittelpunkt im Plenum steht vielmehr ein zentrales demokratisches Problem. Denn die Vorwürfe gegen Porsch waren bereits vor dem Urnengang 2004 bekannt, und dennoch wählten 23,6 Prozent der Sachsen damals PDS - und damit auch den Kandidaten Porsch.
Entsprechend reserviert gaben sich die versammelten Fraktionschefs in Dresden. Die Abstimmung sei eine Gewissensentscheidung, lautete die Lesart gestern unisono, es existiere keine Stallorder für die einzelnen Abgeordneten für die Sitzung am Donnerstag. Gleichzeitig aber stellt zum Beispiel CDU-Fraktionschef Fritz Hähle klar, wie er sich persönlich entscheiden werde: gegen Porsch. Der SPD-Mann Karl Nolle dagegen hatte im Vorfeld angekündigt, er werde der Abstimmung bewusst fernbleiben.
Grund ist das politisch heikle Prozedere. Denn CDU, SPD, FDP und Grüne erreichen nicht die notwendige Zahl von 83 Stimmen (wenn alle 124 Abgeordneten anwesend sind), es käme also unter Umständen auf die Mithilfe der rechtsextremen NPD an - oder der drei Abtrünnigen. Bei Nolle führt das zu erheblichen Bauchschmerzen.
Genau das dürfte das Kalkül der Linkspartei sein. Zwar schütteln nicht wenige in der Fraktion die Köpfe über das Verhalten von Porsch, der nahezu jeden, der seinen Fall zum Thema macht, mit Klagen überzieht - zuletzt den Grünen-Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg. Dennoch spielt die Linksfraktion erkennbar auf Zeit.
Grund dafür ist die ungeklärte Nachfolgefrage an der Spitze der Fraktion. Bis heute stehen sich zwei Lager gegenüber. Die einen setzen auf den erfahrenen André Hahn als möglichen Porsch-Nachfolger, die anderen auf die junge Caren Lay. Eine Mehrheit hat bisher keiner der beiden Anwärter. Solange sich hier aber keine Lösung andeutet, hält die Linksfraktion an Porsch fest - trotz der Vorwürfe.
Jürgen Kochinke