Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 12.05.2006
Porsch am Pranger
Dresden. Der sächsische Landtag hat gestern Abend eine Anklage von Linkspartei-Fraktionschef Peter Porsch beim sächsischen Verfassungsgerichtshof beschlossen. Damit soll wegen des Vorwurfs einer Stasi-Tätigkeit die Aberkennung des Mandats erreicht werden. Da es bei der ersten Abstimmung Fehler bei der Auszählung gab, wurde beim zweiten Versuch ein "Hammelsprung" vorgenommen. Die Abgeordneten verließen durch mit Ja, Nein und Enthaltung gekennzeichnete Türen den Saal und wurden dabei gezählt.
83 Mitglieder des Plenums sprachen sich für die Anklage aus. Alle 31 Abgeordneten der Linksfraktion.PDS stimmten dagegen. Die Abgeordneten Marin Gillo (CDU), Karl Nolle und Cornelius Weiss (beide SPD) sowie Kristin Schütz und Andreas Schmalfuß (beide FDP) enthielten sich. Stefan Brangs (SPD) blieb der Abstimmung bewusst fern. Weiss erklärte seine Enthaltung damit, dass er keine gemeinsame Sache mit den geistigen Nachfolgern von KZ-Schergen machen wolle und zielte damit auf die NPD, die der Anklage zustimmte.
Der 61-jährige, bereits als Hochschullehrer entlassene Leipziger Germanistik-Professor Porsch hat eine bewusste Mitarbeit für die Stasi stets bestritten. Er sei allenfalls ohne sein Wissen von der Stasi abgeschöpft worden.
Doch in der Aussprache trat der Vorsitzende des Immunitätsausschuss, Christian Steinbach (CDU), Porschs Darstellung entgegen. Dessen Informationen an die Stasi seien "alles andere als Lappalien" gewesen, Porsch habe gezielt Personen ausgeforscht. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Karl-Heinz Gerstenberg, warf Porsch vor, wissentlich und willentlich für die Stasi tätig gewesen zu sein und zuverlässig gearbeitet zu haben. Der Bewertungsausschuss und der Immunitätsausschuss des Landtags waren nach Sichtung von Akten der Birthler-Behörde bereits mehrheitlich zur gleichen Auffassung gelangt. Den Vorwurf der Linkspartei, die Anklage sei nur mit NPD-Stimmen möglich, wies Gerstenberg zurück: "Wir machen uns nicht von der Haltung der Neonazis abhängig."
Doch nicht alle Abgeordneten legten sich fest. So erklärte SPD-Schwergewicht Karl Nolle seine Enthaltung damit, dass es bisher keine ehrliche und gründliche Aufarbeitung der Geschichte gegeben habe. Rückendeckung bekam Porsch vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Linksfraktion, André Hahn. Die Anklage sei "ein politischer Willkürakt mit inquisitorischen Zügen" und eines demokratischen Parlaments unwürdig. Es gehe nur um eine Abrechnung mit der unbequemen Linkspartei. Das Ausschlussverfahren werde wegen eines Dutzend Formfehlern vor dem Gerichtshof scheitern.
Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) muss binnen eines Monats die Anklageschrift an das Landesverfassungsgericht übersenden. Dort will Porsch auftreten. Ob es dort aber tatsächlich zu einer Aberkennung des Mandats kommt, ist äußerst fraglich. In früheren Verfahren gegen andere Abgeordnete hatten Sachsens höchste Richter stets wegen Formfehlern eine Entscheidung in der Sache vermieden.
Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke