Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 22.05.2006
Lähmung in der Linksfraktion
Dresden. Als die Stasi-Anklage von Linkspartei-Fraktionschef Peter Porsch vor rund zehn Tagen im Landtag verhandelt wurde, stand die 31-köpfige Fraktion wie eine Eins hinter ihrem Chef. Sechs Abgeordnete, junge Rebellen wie altgediente Kader, erklärten ihre Solidarität mit dem Gescholtenen. Die Anklage beim Verfassungsgericht sei politisch, inhaltlich und juristisch abstrus. Schon aus Trotz hatten die Genossen eine Wagenburg gegen die Angriffe von allen Seiten aufgebaut. Doch das ist nur die äußere Schutzhülle.
Im Inneren herrscht zugleich gewaltiger Frust über die Angriffsschwäche der Fraktion, die doch eigentlich die mit Abstand größte Oppositionsmacht darstellt. "Statt die Regierung vor uns herzutreiben, verstricken wir uns im internen Kleinkrieg und in Stellvertreterkämpfen", klagen Abgeordnete. Statt auf eigene Kampagnen und Konzepte zu setzen, werde nur auf Regierungsvorlagen und Medienberichte reagiert. Es fehlt schlicht ein offensiver Frontmann.
Die Lähmung der angeschlagenen Fraktion liegt aber nicht nur an der prekären Lage des unter Anklage stehenden Chefs, sondern auch an der ungeklärten Nachfolgefrage. Im Frühjahr 2007, so viel ist sicher, will Porsch sein Amt zur Verfügung stellen. Ein früherer Rückzug verbietet sich strategisch, solange ein Urteil nicht gesprochen ist. Doch das wird frühestens im Herbst erwartet.
Einer, der mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg hält, ist der Dresdner Haushaltsexperte Ronald Weckesser. "Seit Beginn der Wahlperiode haben wir nicht Tritt gefasst", sagt Weckesser und ärgert sich über den "Ringelpietz" einiger Kollegen: "Gerade in der Krise sollten wir Manns genug sein, ordentliche Politik für das Land zu machen." Es sei eine verschenkte Chance, die Koalition der Wahlverlierer nicht offensiv zu attackieren. "Wie wollen wir 2009 stärkste Fraktion werden, wenn es nicht gelingt, mit politischen Angeboten zu kontern?" Um sich aus dem Dilemma zu befreien, solle die Fraktion endlich zusammen kommen und offen über die Porsch-Nachfolge reden, fordert Weckesser. Dabei müsse auch der Landesvorstand um Parteichefin Cornelia Ernst einen Personalvorschlag vorlegen.
Der parteilose Abgeordnete Heiko Hilker sieht indes keinen Zusammenhang zur Cheffrage. "Die Kollegen könnten doch längst arbeiten. Porsch lässt uns allen Freiräume", sagt der Döbelner. Doch statt politische Ideen zu entwickeln und umzusetzen, gebe es unnötige Kämpfe um Redebeiträge und Antragsformulierungen, um sich innerfraktionell zu positionieren. "Eine Linke braucht Pluralität. Die hat Porsch gewährleistet", so Hilker. Er befürchte für die Zeit nach Porsch sogar unnötige Einengungen, die dann als Strategie verkauft würden.
"Wir haben bisher keinerlei Putsch-Situation", sagt der Leipziger Linkspartei-Chef Volker Külow. Dafür sei jetzt auch der falscheste Zeitpunkt, selbst wenn die Fraktion derzeit nicht so stark sei, so Külow, "wie wir sein müssten." So dürfte die Hängepartie noch eine Weile weitergehen. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als bis zum Jahresende diese Starre auszuhalten", sagt einer der Genossen und fügt hinzu: "Unser Glück ist nur, dass die anderen auch nicht besser sind."
Sven Heitkamp