Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 24.05.2006

Abgeordnete auf Distanz zu Erich Iltgen

 
Dresden. Vor Jahren noch galt Erich Iltgen (CDU) als honoriger Politiker. Gelassen führte der Landtagspräsident das Hohe Haus, hatte seit 1990 als Staatsmann über Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf. Doch seit einiger Zeit bröckelt das Image des 65-Jährigen. Nach einer Serie von Merkwürdigkeiten, Alleingängen und Formfehlern des Präsidenten reagieren selbst CDU-Abgeordnete genervt - und gehen auf Distanz zu Iltgen.

Das liegt nicht zuletzt am Hickhack um die Stasi-Vorwürfe gegen Peter Porsch. Weil im Parlament vor knapp zwei Wochen kein eindeutiges Abstimmungsergebnis zur angestrebten Abwahl des Linksfraktionärs erkennbar war, griff die Landtagsspitze zum so genannten Hammelsprung. Bei diesem Verfahren müssen die Abgeordneten ihre Entscheidung per Durchschreiten einzelner Türen mit den Aufschriften "Ja", "Nein" oder "Enthaltung" dokumentieren, in der Geschäftsordnung (Paragraf 103.3) ist das klar festgelegt.

Daneben ging es dennoch. Insgesamt sieben Formfehler hat SPD-Mann Karl Nolle ausgemacht und moniert, dass die Abstimmung damit hinfällig sei. Gestern stellte sich das Landtagspräsidium in einer Sondersitzung zwar mehrheitlich hinter das Vorgehen von Iltgen, die Wogen aber hat das nicht geglättet. Vor allem nicht in der CDU-Fraktion: Abgeordnete im Dutzend sind verärgert, sprechen von "chaotischen Verhältnissen" und "heftigem Grummeln". Ihre Befürchtung lautet:Letztlich könnte das Verfahren gegen Porsch vor dem Landesverfassungsgericht wegen der Verfahrensfehler scheitern.

Das aber ist nicht der einzige Kritikpunkt. "Der Präsident neigt zu einsamen Entscheidungen", meint ein CDU-Abgeordneter, "das ist schlecht fürs Image des Parlaments." Für Verstimmung in den vergangenen Monaten sorgten vor allem Iltgens Vorstöße zum Umgang mit der rechtsextremen NPD. Einmal sprach sich der Präsident dafür aus, der Landtag samt NPD möge in die KZ-Gedenkstätte Auschwitz fahren - und vergaß dabei, sich mit der eigenen Fraktion abzustimmen; dann kritisierte er öffentlich den Konsens der Fraktionen, auf NPD-Anträge nicht mit langen Gegenreden zu reagieren - und stieß damit nicht zuletzt CDU-Fraktionschef Fritz Hähle vor den Kopf.

Derzeit will sich noch kein Christdemokrat offiziell gegen den Präsidenten stellen, klare Worte gibt es dagegen von der Opposition. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Linksfraktion Iltgen im Fall Porsch angeht und als "zunehmend selbstherrlich" (André Hahn) beschreibt. Schwerer aber wiegt schon die Kritik von den Liberalen. "Iltgens Verdienste in der Vergangenheit stehen außer Frage", sagt FDP-Fraktionschef Holger Zastrow, "aktuell aber zeigt er überraschende Schwächen". Die Fehlerquote sei gestiegen. Offensichtlich habe sich der 65-Jährige noch nicht daran gewöhnt, dass seit 2004 im Landtag ein anderes Klima herrsche. Bei sechs Fraktionen und ohne absolute CDU-Mehrheit müsse "das Präsidium hellwach sein" - ein Anspruch, dem es immer seltener genüge.
Jürgen Kochinke