Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.07.2006

Minister-Roulette in der SPD durch Ludwigs Weggang

 
Dresden. Es ist eine mehr als heikle Personalie. Seit Wochen steht faktisch fest, dass Sachsens SPD einen Nachfolger für Wissenschaftsministerin Barbara Ludwig (SPD) benötigt - gefunden aber hat sie ganz offensichtlich bisher keinen. Am späten Donnerstagabend trafen sich das Parteipräsidium und Landeschef Thomas Jurk zum Thema, und schon im Vorfeld hatten SPD-Vorstandsmitglieder dem staunenden Publikum erklärt, dort werde die Entscheidung fallen. Doch das Minister-Roulette geht weiter. Nach stundenlangem Sitzungsmarathon habe sich das hohe Gremium in der Sache vertagt, hieß es gestern aus SPD-Kreisen in Dresden, Jurk werde sich am Montag äußern.

Das wirft ein Licht auf die schwierige Gemengelage in der Partei. Bisher galt es intern als ausgemacht, dass die neue Führungskraft an der Spitze des Ressorts eine Frau aus dem Osten sein soll. Doch kaum kursierten dazu passende Namen - die ehemalige Bundeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Eva-Maria Stange, zum Beispiel oder die hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Simone Raatz, - gab es schon Ärger. Stange, so wird an der Elbe kolportiert, gilt einigen in der SPD als zu aufmüpfig und links und würde als Ministerin darüber hinaus den Koalitionsfrieden mit der CDU gefährden; Raatz wiederum passt all denen nicht, die Stange wollen.

Das ist wie eine Neuauflage alter Grabenkämpfe. Schon vor drei Jahren drohte die Sachsen-SPD vom internen Zwist zwischen eher staatstragenden und den forscheren Genossen zerrieben zu werden. Auf der einen Seite standen dabei Ex-Landeschefin Constanze Krehl sowie der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber, auf der anderen auch Jurk, vor allem aber Ex-Juso-Chef Martin Dulig sowie der jetzige Chef der Landtagsfraktion, Cornelius Weiss.

Damals ging Jurk als der große Gewinner aus dem SPD-internen Machtkampf hervor, jetzt wird die Personalie zur Nagelprobe auch für ihn. Nicht zufällig meldet sich Weißgerber zur Ludwig-Nachfolge zu Wort und plädiert für eine Neuauflage der Kandidatensuche. "Wir brauchen intellektuellen Zuzug, eine Persönlichkeit mit Renommee, die ankommt", sagt der Leipziger. Es gehe darum, "die Provinz ein wenig auszulüften", die Suche nur in Sachsen reiche nicht. Und unter der Hand heißt das: Die bisher genannten Namen seien eben keine erste Wahl.

Entsprechend getrieben fühlt sich Jurk. Immer wieder kamen in den letzten Tagen neue oder auch ältere Namen ins Spiel, SPD-Landrätin Petra Köpping zum Beispiel oder der ehemalige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Rolf Schwanitz. Das Problem dabei war stets dasselbe: Beide kommen nicht in Frage, haben längst definitiv abgesagt - werden aber trotzdem weiter öffentlich gehandelt. Jurk ärgert das erheblich. Um weiteren Schaden abzuwenden, muss er sich nun schnell entscheiden. Und egal, auf wen seine Wahl am Ende fällt - der jeweils andere Flügel in der SPD dürfte sich brüskiert fühlen.

Damit gewinnt eine bereits bekannte Variante an Charme. Pia Findeiß, die Zwickauer Sozial- und Kulturbürgermeisterin, könnte Jurk als Kompromisskandidatin aus der Bredouille helfen. Und einige der geforderten Kriterien erfüllt sie auch. Schließlich hat die 50-Jährige Verwaltungserfahrung und war bereits 13 Jahre lang wissenschaftlich tätig - als Mitarbeiterin für Sportwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Zwickau.
Jürgen Kochinke