Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 07.07.2006

CDU-Politikerin nennt Kritik an Stange "vermessen"

 
"Ich wünsche mir auch von der CDU Fairness"

Dresden. Eva-Maria Stange, designierte SPD-Wissenschaftsministerin und frühere GEW-Chefin, wehrt sich gegen Vorwürfe aus der Union.

Frage: Sie stehen seit Ihrer Benennung am Montag unter Beschuss. Die CDU wirft Ihnen linke, ideologische Standpunkte vor. Ministerpräsident Georg Milbradt soll gar ihre Ernennung verweigern. Haben Sie überhaupt noch Lust, das neue Amt anzutreten?

Eva-Maria Stange: Solche plakativen Angriffe hauen mich nicht um, auf Bundesebene bin ich da ganz anderes gewöhnt. Die Äußerungen zeigen mir vor allem ein ziemlich erschrecktes Verhalten. Da hätte ich einigen Vertretern des Koalitionspartners mehr Souveränität zugetraut.

Sie gelten schon als Belastungsprobe für die Koalition ...

Aber die Vorwürfe haben wenig Substanz, denn mit mir hat niemand gesprochen. Ich weiß gar nicht, wo eigentlich die sachlichen Angriffspunkte sind, über die wir uns streiten könnten. Dazu wäre ich ja gern bereit. Man sollte mir doch erstmal eine Chance geben und sich dann ein Urteil bilden. Da wünsche ich mir auch von der CDU Fairness.

Kritik gibt es auch in der SPD.

Es gibt aber auch genügend namhafte SPD-Mitglieder, die meine Nominierung unterstützen. Und mit der Landtagsfraktion habe ich in Kürze einen Termin, um offene Fragen zu klären.

Ihnen wird Ihre neunjährige SED-Mitgliedschaft vorgehalten ...

Ich dachte, dass solche Vorwürfe 16 Jahre nach der Einheit erledigt sind, zumal die Debatten schon in meinen Jahren als GEW-Landes- und Bundeschefin geführt wurden. Die muss man nicht erneut hochkochen. Und SPD-Chef Thomas Jurk steht uneingeschränkt zu mir.

War Ihre SED-Zeit ein Fehler?

Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Das hieß zu Hause, sich einzubringen. Aber es hat sich in den 80er Jahren gezeigt, dass die SED von innen heraus nicht zu verändern war. Daher bin ich 1988 ausgetreten. In die PDS wieder einzutreten, war nie Thema. Diese Partei hat kein Profil.

Verstehen Sie sich als Linke?

Ich bin dafür bekannt, dass ich nicht aus einer Ideologie oder Parteidisziplin heraus Prinzipien reite. Aber ich stehe beispielsweise zur Chancengleichheit junger Menschen, da ich als Arbeiterkind selbst davon profitiert habe und promovieren konnte. Daher sind für mich auch Studiengebühren tabu. Wenn man solche Positionen als "links" bezeichnet, kann ich damit gut leben.

Hinter der Kritik steht die Sorge, Sie würden eine Hochschulmodernisierung eher blockieren als befördern.

Als Mitarbeiterin an der TU Dresden weiß ich, dass sich an den Unis etwas bewegen muss und schon bewegt. Insbesondere muss die Eigenverantwortung gestärkt werden. Aber Hochschulen haben gegenüber der Gesellschaft auch eine Verpflichtung zu erfüllen. Diese Balance muss im neuen Hochschulgesetz gehalten werden.

Sind mit Ihnen schlankere Führungsstrukturen zu machen?

Alte Strukturen wie das Konzil muss man in Frage stellen. Aber der Demokratieanspruch darf nicht verloren gehen. Universitäten sind keine Betriebe. Sie können nicht nur nach Effizienzkriterien geführt werden, sondern müssen Spielräume haben, um über den Tag hinaus zu denken. Im Übrigen kenne ich als Gewerkschafterin die Arbeitsbedingungen der Kollegen an den Hochschulen und werde am Kabinettstisch meine Herkunft nicht verleugnen.

Die CDU fürchtet, dass Sie sich zu sehr in die Schulpolitik einmischen. Zu Recht?

Wir haben nun mal drei Bildungsminister in diesem Land: die Sozialministerin für die Kitas, den Kultusminister für die Schulen und eine Wissenschaftsministerin. Ich sage damit klar: Ich bin auch Bildungspolitikerin und hoffe auf inhaltliche Debatten. Ich weiß aber sehr wohl zwischen den Aufgaben in meinem Amt und den anderen Ressorts zu trennen.

Was sagen Sie beispielsweise zur Reform der gymnasialen Oberstufe?

Über den Vorschlag des Kultusministeriums dürfte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Denn die Naturwissenschaften, die ja gerade gestärkt werden sollen, dürfen nur noch zwei Stunden pro Woche unterrichtet werden. Stattdessen sollte es vertiefende Neigungskurse geben.

Welche Rolle wird die Kultur bei Ihrer Amtsausübung spielen?

Ich habe beide Bereiche auszufüllen - als Wissenschafts- und als Kunstministerin. Die Aufgaben im Kulturbereich muss ich mir da erst noch vornehmen. Aber mit Enttäuschung, die jetzt schon geäußert wurde, sollte man warten. Ich habe doch noch gar keine Entscheidungen getroffen.

Wie sehen Sie Ihre Perspektive als Ministerin. Gehen Sie 2009 mit der SPD in den Wahlkampf?

Lassen Sie mich doch erstmal starten. An 2009 denke ich überhaupt noch nicht.

Interview: André Böhmer,
Jürgen Kochinke, Sven Heitkamp