Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 13.07.2006
De Maizière betreibt Kontaktpflege
Dresden. Vor rund sieben Monaten ging er als Chef ins Bundeskanzleramt, nach Dresden aber kommt er immer wieder gern zurück: Thomas de Maizière (CDU), von Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) einst aus Schwerin nach Sachsen geholt, war gestern zu Gast in der CDU-Landtagsfraktion. Offiziell firmierte die Stippvisite als Routinebesuch, unter der Hand aber kursierte eine andere Lesart: Fraktionspflege habe de Maizière betrieben, hieß es aus CDU-Kreisen. Es gehe um seine politische Verankerung.
Das hat viel mit dem Wahlsachsen selbst zu tun. Noch immer wohnt de Maizière an der Elbe, fährt in Berlin meist einen Dienstwagen mit Dresdner Nummer. Und auch in der Sachsen-CDU ist er weiter aktiv. Vor einem halben Jahr ließ er sich zum Beisitzer wählen, ist damit Mitglied im CDU-Landesvorstand. Er habe "weiter Ambitionen", sagt ein CDU-Kabinettsmitglied - zum Beispiel für den Fall, dass die große Koalition im Bund scheitert.
An seinem Interesse an Sachsen macht de Maizière keinen Hehl. "Ich freue mich, mal wieder hier zu sein", lautete sein Motto nach der Fraktionssitzung, "ich habe mich sofort wieder wohl gefühlt". Und die Visite bei den Fraktionären sei gut angekommen, als "sehr freundliche und freundschaftliche Geste". Dabei gab es laut Fraktionschef Fritz Hähle durchaus kritische Nachfragen, vor allem die so genannte Gesundheitsreform sei umstritten.
Hier versuchte de Maizière zu werben für die Untiefen des Projekts. Gleichzeitig räumte er ein, dass Sachsen vom Kanzleramt aus gesehen zuweilen wie eine "Insel der Seeligen" erscheint. Im Gegensatz zu den desolaten Haushalten des Bundes oder vieler Länder werde im Freistaat solide gewirtschaftet. Die "seriöse Übertragung der Wirklichkeit in Zahlen" nannte er das, was durchaus als Kompliment an Regierungschef Georg Milbradt (CDU) verstanden werden kann.
Das war nicht immer so. Da de Maizière zeitweise als "Biko-Mann" im CDU-internen Machtkampf zwischen Biedenkopf und Milbradt galt, hatte er anschließend als Justiz- und Innenminister nicht immer den besten Stand. Darüber hinaus firmierte der Blitzgescheite - neben CDU-Vize und Kultusminister Steffen Flath - als potenzieller Nachfolger des Regierungschefs. Seit seinem Gang nach Berlin ist davon weniger zu spüren, auch Milbradt lobt den Kanzleramtsminister neuerdings gern als "erstklassige Adresse in Berlin" für die Belange Sachsens.
Den Freistaat freilich hat de Maizière nicht aus den Augen verloren, ebenso wenig wie die CDU-Fraktion. Die Stippvisite sei "mit keiner anderen Einladung zu vergleichen", meinte er. Er werde das "von Zeit zu Zeit wiederholen".
Jürgen Kochinke