Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.07.2006

Heikles Planspiel: CDU will schon 2008 wählen

Debatte. Vom vorzeitigen Ende der Koalition mit der SPD erhoffen sich viele Christdemokraten Vorteile.
 
Dresden. Wer dieser Tage mit sächsischen CDU-Spitzenpolitikern ins Gespräch kommt, dürfte schnell hellhörig werden. Immer offener kursiert dort ein Thema, das bis vor kurzem für die Öffentlichkeit eigentlich völlig tabu bleiben sollte: Das Vorziehen der nächsten Landtagswahl im Freistaat vom regulären Termin Herbst 2009 auf 2008.

Dresden zittert wegen Berlin

Der Auslöser für dieses Planspiel ist ausgerechnet die wachsende Unzufriedenheit der Wähler mit der Bundesregierung. Die Zustimmungswerte für die Berliner CDU-SPD-Koalition sinken und das sorgt auch im schwarz-roten Dresden für Nachdenklichkeit und Unruhe.

Zu spüren bekam dies vergangene Woche erst Thomas de Maizière (CDU) bei einer Stippvisite an die Elbe. Der sächsische Ex-Innenminister und heutige Chef des Bundeskanzleramtes musste sich am aktuellen Beispiel der Gesundheitsreform die harschen Vorwürfe der sächsischen CDU-Landtagsabgeordneten anhören. Tenor: Was ihr in Berlin anrichtet, dafür zahlen wir in Sachsen künftig die Zeche mit.

Damit spielen die verunsicherten Fraktionäre vor allem auf die bisherigen Wahltermine an. Bleiben diese wie gehabt, werden die sächsischen Wähler 2009 nämlich nicht nur zur Landtagswahl, sondern gleichzeitig auch zur Bundestagswahl an die Urnen gerufen. Ist die Enttäuschung dann immer noch hoch, wird im Doppelpack bestraft, so die Befürchtungen der CDU-Strategen im Freistaat.

Die Verlockung, diesem Szenario durch eine vorgezogene Landtagswahl einen Riegel vorzuschieben, ist entsprechend groß. Möglichkeiten, das Dresdner Bündnis mit der SPD vorzeitig und gezielt platzen zu lassen, gibt es aus Sicht vieler Christdemokraten genug. „Leider kam Frau Stange anderthalb Jahre zu früh“, heißt es süffisant, nachdem kürzlich der Streit um die designierte SPD-Wissenschaftsministerin Eva Maria Stange die Koalition wieder einmal zum Kriseln brachte. Doch glaubt man, für den Fall der Fälle genügend Pfeiler im Köcher zu haben. Tatsächlich könnte allein der ungelöste Streit um die Einführung von Studiengebühren das sächsische Zweckbündnis jederzeit platzen lassen. Danach, so die Hoffnung der CDU, werden einfache Parolen die Wähler zur Rückkehr zu alten Machtverhältnissen überzeugen. Motto: Eine Partei am Ruder ist allemal besser als zwei, die den Kahn in Konkurrenz steuern.

Partner winkt ab: Drohgebärde

Derartige Boshaftigkeiten bleiben dem Koalitionspartner SPD natürlich nicht verborgen. Aber gerade weil die CDU mit diesem Planspiel kaum noch hinterm Berg hält, sieht man darin zuallererst eine Drohgebärde für die aktuelle Tagespolitik.

Vorsichtshalber wird hinter den Kulissen aber doch gegengehalten. Die CDU, so heißt es trotzig, müsse aufpassen, dass sie sich bei so etwas nicht verspekuliert. „Was, wenn wir von einem Koalitionsbruch in Sachsen viel stärker profitieren?“, feilt man am eigenen Selbstbewusstsein. Auf Nachfragen reagieren SPD-Spitzen aber schnell wieder realistischer. „Wir hoffen natürlich, dass die Koalition wie vereinbart bis Ende 2009 hält.“
Von Gunnar Saft