Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 20:53 Uhr, 20.07.2006

Votum vertagt - Dresdner Stadtrat verschiebt Entscheidung über Baustart für Waldschlößchenbrücke

200 bei Demonstration vor Rathaus
 
Dresden (ddp-lsc). Die Gefahr einer Streichung des Dresdner Elbtals von der UNESCO-Weltkulturerbeliste scheint vorläufig gebannt. Der Dresdner Stadtrat verschob am Donnerstagabend in einer Sondersitzung die Entscheidung über den Bau der umstrittenen Waldschlößchenbrücke. Die Mitglieder des Kommunalparlaments stimmten mehrheitlich für eine vorläufige Aussetzung des Baubeginns. Zugleich soll die Stadt dafür sorgen, mögliche Schadensersatzforderungen von Bauherrn für die Stadt zu minimieren. Die betreffenden Bauaufträge haben ein Volumen von etwa 60 Millionen Euro. Vor Beginn der Beratungen des Stadtrats protestierten vor dem Rathaus mehr als 200 Menschen für den Erhalt des Welterbetitels und gegen den Bau der Brücke.

Eine Mehrheit von 39 der 69 Räte votierte für einen Antrag der Grünen-Fraktion, der die Stadt mit der Suche nach Lösungen beauftragt, die mit dem jüngsten Votum der UNESCO in Einklang zu bringen sind. Zugleich soll die kommunale Führung Maßnahmen erarbeiten, die den Erhalt des bedrohten Welterbetitels für das Elbtal sichern.

Die Stadtspitze wird zudem beauftragt, mit dem UNESCO-Komitee Gespräche aufzunehmen und dem Rat eine Fragestellung für einen neuerlichen Bürgerentscheid über das Brückenprojekt vorzulegen. Der Stadtrat muss nun innerhalb von drei Wochen erneut über den Baustart befinden.

Die FDP im Stadtrat, die die Brücke befürwortet, sprach von einem Rechtsbruch. Durch den Antrag werde das Votum des Bürgerentscheids zugunsten des Baus verletzt. Es liege ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung vor. Die Dresdner hatten sich im Februar 2005 in einem Bürgerentscheid mehrheitlich für den Brückenbau ausgesprochen.

Vor der Abstimmung hatte die Delegierte der Kultusministerkonferenz beim Welterbekomitee der UNESCO, Birgitta Ringbeck, die Stadt eindringlich vor einem Beschluss zugunsten der Brücke gewarnt. Der Bau werde zur Aberkennung des Welterbetitels und damit zu einem erheblichen Prestigeverlust nicht nur für Dresden, sondern für Deutschland führen, sagte Ringbeck am Donnerstag in einer Expertenbefragung vor dem Dresdner Stadtrat. In der Geschichte der Kommission sei noch nie ein Welterbetitel aberkannt worden. «Es wäre für kein Land dieser Welt eine Ehre, diesen Imageschaden als erstes zu erleiden», betonte Ringbeck.

Zugleich machte Ringbeck deutlich, dass auch ein überarbeiteter Brückenentwurf nicht akzeptabel wäre. Sie sehe «keinen Verhandlungsspielraum für eine überirdische Elbquerung an dieser Stelle». Indes sei ein Tunnel unter dem Fluss hindurch eine gangbare Alternative.

Die Demonstranten vor dem Rathaus forderten den unbedingten Erhalt des UNESCO-Titels. Auf Spruchbändern und Plakaten wie «Nicht vergessen, Welterbe verpflichtet» und «Kultur statt Beton» machten sie ihrem Unmut Luft. Zu der Veranstaltung hatte die Grüne Liga Sachsen aufgerufen.

Die UNESCO hatte das Dresdner Elbtal in der vergangenen Woche wegen der geplanten Brücke auf die Rote Liste der bedrohten Weltkulturerbestätten gesetzt. Die UNO-Organisation verlangt eine alternative Lösung zu dem Bau. Ansonsten droht die Aberkennung des Titels.
Von Alessandro Peduto

ddp/ape/mar
202053 Jul 06