Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.08.2006
Flutwelle von 2002 erfasst den Landtag
Betrugsvorwürfe. Der CDU-Abgeordneten Kerstin Nicolaus droht eine Verurteilung.
„Ich bin überrascht und betroffen,“ reagierte die Sozialexpertin der CDU-Landtagsfraktion, Kerstin Nicolaus, auf die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft Zwickau die Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität beantragt hat. Ein notwendiger Schritt, um gegen die 45-jährige Abgeordnete Anklage zu erheben oder sie mit einem Strafbefehl zu belasten.
Die Politikerin, die vor Jahren sogar schon einmal für einen Ministerposten im Gespräch war, holen damit alte Vorwürfe ein. Im Mai 2004 hatte die Sächsische Zeitung öffentlich gemacht, dass es gegen Nicolaus schwere Vorwürfe wegen des vermuteten Missbrauchs von Fluthilfegeldern gibt. So soll sie als ehrenamtliche Bürgermeisterin ihrer Heimatgemeinde Hartmannsdorf (Zwickauer Land) veranlasst haben, dass ein privater Feldweg unmittelbar neben ihrem eigenen Haus Monate nach der Jahrhundertflut vom August 2002 in eine kommunale Straße umgewandelt wurde. Nur so konnte der Weg, den das Hochwasser übrigens nie erreicht hatte, mithilfe von staatlichen Fördergeldern aufwendig saniert werden. Er wurde für 70 000 Euro zu einer modernen, drei Meter breiten Betonstraße samt Kanäle für Trink- und Abwasserleitung ausgebaut – die Wertsteigerung der angrenzenden Grundstücke inklusive.
Gnadenfrist bis September
Ungereimtheiten beim Einsatz von Fluthilfegeldern gab es in Hartmannsdorf aber auch bei anderen Projekten im Ort, unter anderem beim Bau eines Sozialgebäudes. Kerstin Nicolaus hatte zunächst immer erklärt, sie könne die Vorwürfe entkräften. Nach einem Krisengespräch mit CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt wurde sie deshalb zur Landtagswahl 2004 wieder als Direktkandidatin aufgestellt und zog erneut in den Landtag ein. Zuvor hatte die Gemeinde die Kosten für den Ausbau des Feldweges vorsichtshalber schon einmal zurückgezahlt.
Nach SZ-Informationen wirft die Staatsanwaltschaft Nicolaus dennoch weiter Betrug vor. Ein Vorwurf, der auch mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Eine Anklage ist aber erst möglich, wenn die Immunität der Abgeordneten aufgehoben ist. Und das kann dauern. Der zuständige Ausschuss im Parlament tagt erst wieder im September. Eine kleine Gnadenfrist?
Von Gunnar Saft