Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.08.2006

Herrn Apfels „Mitte der Gesellschaft“

Rechtsextremismus. Am Wochenende wollte die NPD sich und ihre Klientel feiern und stand dabei ziemlich im Regen.
 
Vielleicht mag es Petrus nicht, wenn Leute die deutsche Hymne singen und damit nichts Gutes wollen. Jedenfalls lässt er es richtig regnen, als Frank Rennicke, Kultbarde vieler Neonazis, „Deutschland, Deutschland über alles“ anstimmt. Zwischen seinen Liedern schimpft er über das „widerliche bürgerliche Pack“. Die Justiz hat ihn als Volksverhetzer verurteilt.

Da ist es Sonnabend kurz nach Mittag, dunkle Wolken hängen tief über dem Pappritzer Berg in Dresden, wo die „Deutsche Stimme“, das Parteiblatt der rechtsextremistischen NPD, ihr Pressefest veranstaltet – hinter Metallzäunen mit Sichtschutz. Ein „Ordner“ mit kahlem Kopf, schwarzen Lederhandschuhen und einem grimmigen Rottweiler an der Seite patroulliert vor einem Fernsehteam, das nicht aufs Gelände darf.

Mehrere Tausend Menschen bevölkern den Platz. Kahlköpfigkeit dominiert und die Farbe Schwarz. Was viele Besucher offensichtlich denken, ist auf ihren T-Shirts zu lesen: „Odin statt Jesus“, „Wir bleiben braun“ oder „White Power“, rassistischer Slogan über die „Macht der weißen Rasse“. Auch „Eure Galgen sind schon gezimmert“ ist zu lesen. Unverhohlene Lust auf Gewalt – das scheint hier viele zu verbinden.

Derweil schwadroniert Holger Apfel, NPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, selbstzufrieden vor dem Mikrofon einer Rundfunkreporterin von der „Mitte der Gesellschaft“, die sich hier treffen würde. Mit Hüpfburg, Rodeoreiten und „Hau-den-Lukas“ wollen die Veranstalter dem Jahrestreffen des deutschen Rechtsextremismus Volksfestcharakter geben. Adrett im Anzug flaniert NPD-Bundes- und Landesprominenz über den Platz. Udo Pastörs, NPD-Spitzenkandidat für Mecklenburg-Vorpommern, wenig nordisch im braven Trachtenjanker, darf vor den Fernsehkameras plaudern, mit Wahlkampfhelfer Apfel an der Seite. Es gibt wenig Inhalt. Dafür wird die Schulhof-CD provokativ geschwenkt.

Was das Neonaziherz begehrt

An den Zapfhähnen und Grills sieht Apfels bürgerliche „Mitte der Gesellschaft“ anders aus. Muskelbepackte Kerle stapfen übers Feld. Manche tragen Kultsymbole wie Thors Hammer am Hals. Martialische Kameradschaftsnamen werden auf Hemden zur Schau gestellt. „Selbst-Schutz Sachsen-Anhalt“ zum Beispiel, wobei die beiden ersten „S“ besonders groß geschrieben sind. Unter Neonazis zählt offenbar alles, was wie die berüchtigte „SS“ zum „Dritten Reich“ gehört. Mit Pflastern haben einige Skindheads verfassungswidrige Zeichen ihrer Tätowierungen verklebt – wohl aus Angst, Zivilpolizisten des Staatsschutzes könnten ihnen die Party vermiesen.

Schon bei der Eröffnung entsteht der Eindruck, dass Altnazis wie Friedhelm Busse oder sogenannte Wehrmachtshelden wie Hajo Herrmann mehr Beifall erhalten als die nationalistische Politprominenz heutiger Zeit. Dabei müht die sich heftig und bedient die Klischeevorstellungen der Masse. Jürgen Rieger, in der Szene gern als Anwalt des nationalen Widerstandes bezeichnet, weiß genau, wie weit er am Mikrofon gehen darf und kassiert für seine Ausfälle kräftig Beifall aus den Reihen der Skinheads. Die johlen auch, als er verkündet, dass er Flüchtlinge so lange „runterhungern“ würde, bis sie ihre Herkunftsländer preisgäben. Und man sieht keinen im Publikum entrüstet den Kopf schütteln. Abseits der Mikrofone wirbt ein Franke mit dem Blättchen „Jetzt handeln und national befreite Zonen schaffen!“.

Richtig Umsatz wird dort gemacht, wo ein Wurzener Szene-Vertrieb fast alles anbietet, was das Neonaziherz höher schlagen lässt. In der unübersehbaren Vielfalt an T-Shirt und CDs habe der Staatsschutz keine indizierten Waren gefunden, so die Polizei. Ein Mädchen streicht über ein braunes Hemd, das den Hitler-Stellvertreter und verurteilten Kriegsverbrecher Rudolf Hess zeigt: „Sein Opfer unser Auftrag“ steht darauf. Das Hemd ist dem Mädchen zu teuer. In der Dämmerung tauchen erste Trophäen auf: Heruntergerissene Plakate, auf denen die Pappritzer den Neonazis deutlich sagen, dass sie hier nicht willkommen sind. Viele Einwohner zeigen ihre Haltung auch bei einem Bürgerfest.

Es ist die Zeit der musikalischen Ausuferungen. Wortfetzen wie „Stalingrad“, „Vaterland“ oder „Ich bin stolz, ein Nazi zu sein“, fliegen von der Bühne herüber, während Rennicke seinen volksmusikalischen Ausflug „durch die deutsche Heimat“ ganz selbstverständlich auf Schlesien und Tirol ausdehnt. Mehr und mehr Betrunkene torkeln über den Platz, viele schaffen es nicht bis zum Dixiklo und urinieren auf die Pappritzer Felder.

NPD-Mann Apfel findet die vielen Glatzen an diesem Tag höchstens „etwas gewöhnungsbedürftig“. Spätabends brüllt dann doch einer „Sieg Heil“ und hebt die Hand zum verbotenen Hitler-Gruß. „Ach so, das dürfen wir ja hier nicht sagen“, ruft der blond-schmächtige junge Mann neben dem NPD-Zelt – und grinst.
Von Th. Schade und A. Binninger