Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, Seite 5, 10.08.2006
SPD-Politiker sieht Stern des Ministerpräsidenten sinken
Untersuchungsausschuss der Sachsen-LB-Affäre sorgt für Unmut - Nolle: Milbradt hat bei Kontrolle der Bank-Manager versagt
Düstere Prophezeiungen verdunkeln den politischen Sommerhimmel. SPD-Landtagsabgeordneter Karl Nolle behauptet: Sachsens CDU sucht einen neuen Spitzenkandidaten und wird sich von Ministerpräsident Georg Milbradt absetzen. Den Grund sieht er in Milbradts passivem Verhalten in der Affäre um die Sachsen-LB, deren Verwaltungsratschef er einst war. Brisante Aussagen in einem Prüfbericht, der der Landesbank hohe Risiken in spekulativen Geldgeschäften bescheinigt, könnten den sächsischen Ministerpräsidenten in Erklärungsnot bringen.
Dresden. Der Untersuchungsausschuss der Sachsen-LB-Affäre sorgt für Unmut hinter den Kulissen. Hintergrund ist ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer KPMG. Monatelang habe die Sachsen LB das Gutachten, das im Auftrag des Bundesaufsichtsamtes für Finanzdienstleistungen (BaFin) erstellt wurde, dem Untersuchungsausschuss vorenthalten und erst vor einem Monat mit über 5oo Schwärzungen weitergeleitet, berichtet der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss Karl Nolle. Die Ergebnisse dieser Sonderprüfung seien für die politisch Verantwortlichen auch in der CDU eine Katastrophe, weil es das Versagen jeglicher Kontrolle der Manager einer öffentlich-rechtlichen Bank attestiere, meint Nolle.
Nach seiner Einschätzung stellt der Prüfbericht fest, dass den Anforderungen an eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation" bei der Sachsen LB Europe plc., einer Tochter mit Sitz in Dublin, nicht entsprochen wurde. Es würden haarsträubende Defizite bis hin zu fehlenden Arbeitsanweisungen aufgelistet. Dabei wurde mit riesigen Summen jongliert. Nach Ansicht des SPD-Wirtschaftsexperten sind die Risiken groß. Die Sachsen-LB Europe habe 2005 außerbilanzielle Finanzgeschäfte und Risiken in einer Größenordnung von rund 45 Milliarden Euro nach 31 Milliarden in 2004 verwaltet. Nolle: „Man stelle sich vor: Das ist die dreifache Höhe des sächsischen Landesetats." Weder der Kreditausschuss noch der Verwaltungsrat seien in der Lage gewesen, sich einen Überblick zu verschaffen. Allein ein Schadensersatzanspruch eines Dritten von einem Prozent der verwalteten Mittel würde einen Schadensbetrag von 450 Millionen Euro ausmachen, rechnet Nolle vor.
„Bank-Vorstände hatten kein Interesse, sich selbst zu prüfen"
Nach Auskunft von Nolle sind diese Risiken nicht von der Revision der Bank beanstandet worden. „Die interne Revision der SLB hat bestätigt, vor der Sonderprüfung niemals die hochspekulativen Finanzgeschäfte in Dublin geprüft zu haben." Über das Einschalten der internen Revision entscheidet der Vorstand der Sachsen LB. Doch die inzwischen entlassenen Vorstände Michael Weiss und Rainer Fuchs hatten kein Interesse, sich quasi selbst zu prüfen und seien dabei von der Politik gestützt worden, so der Vorwurf des SPD-Politikers.
Der heutige Vorstand der Sachsen LB sieht das allerdings anders. „Das Kapitalmarktgeschäft einschließlich des so genannten außerbilanziellen ist normales Bankgeschäft, wie es national und international betrieben wird", heißt es in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen. Bei den angesprochenen Finanzierungen in Höhe von rund 40 Milliarden Euro handele es sich um externe Managementaufträge für die Sachsen LB Europe - vergleichbar mit externem Fondsgeschäft. Hierbei trage die Sachsen LB Gruppe nur das Risiko des Eigeninvestments, das nur einen Bruchteil von knapp drei Milliarden Euro ausmache. Längst, so die Sachsen LB, seien schließlich Konsequenzen gezogen worden: „Der Abschluss der Abarbeitung aller Punkte aus dem Prüfbericht KPMG ist erfolgt und wurde gegenüber der Bankenaufsicht sowie dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates kommuniziert."
Für den SPD-Wirtschaftsexperten Nolle ist klar: Ohne die Profite aus Dublin hätte die Sachsen LB 2005 einen Verlust eingefahren. Nur so konnte das Defizit im Kreditbereich und den Beteiligungsfinanzierungen von 59,3 Millionen kompensiert werden. Nolle: „Nichts gegen ertragreiche Töchter, aber da müssen auch sämtliche Risiken richtig eingeschätzt werden."
Nolle fordert deshalb Konsequenzen. „Die Landesbank muss ohne Ansehen der Person den Willen zur Kontrolle und damit zur Transparenz herstellen, deren Fehlen seit langem beklagt wird." Es könne nicht sein, dass 40 spekulativ arbeitende Mitarbeiter in Irland den gesamten Konzern quer subventionieren. Der Freistaat habe im Vorjahr 300 Millionen Euro in die Bank gepumpt, um ihr Ansehen bei den Rating-Agenturen zu verbessern. Nolle stellt deshalb Fragen: „Welchen Sanierungsbeitrag für Verluste im Kerngeschäft hat der sächsische Steuerzahler damit geleistet? Wie viel Millionen müssen in Irland weiter „zusammengezockt" werden, um das defizitäre klassische Bankgeschäft in Sachsen zu kompensieren?" Die prekäre Abhängigkeit von Dublin sei ja nicht gottgewollt, so Nolle, sondern Resultat der 2001 vollzogenen Strategieänderung der Vorstände Weiss und Fuchs. Die habe Milbradt als „begnadete Banker" beurteilt, kritisiert Nolle.
„Die Union sucht einen neuen Spitzenkandidaten".
Die Querelen um die Sachsen LB, so glaubt Nolle, sorgen vor allem im Lager der CDU für Unruhe. Der Streit um Bildungsthemen und die neue Wissenschaftsministerin sei nur vorgeschoben. „Neuwahlen, das ist das eigentliche CDU Projekt, nicht der SPD", versichert er. Es gehe in der Sachsen-CDU darum, rechtzeitig eine personelle Alternative zum amtierenden Regierungschef aufzubauen. „Die Union sucht einen neuen Spitzenkandidaten", analysiert Nolle die politische Lage. Milbradt werde seine Defizite an Ausstrahlung nicht abbauen, er bleibe der große Zauderer und stehe für Stillstand. „Und spätestens im Dezember verstärkt sich in der Partei eine Lagerbildung, wenn Kurt Biedenkopf im Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss aussagt", erwartet der SPD-Politiker. Durch Milbradts Untätigkeit bei der Bank sei er ohnehin geschwächt, er habe sich selbst an den Rand gebracht, sieht Nolle den Stern des Ministerpräsidenten sinken.
Von Hubert Kemper
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Foto: Karl Nolle erhebt schwere Vorwürfe gegen Sachsens Ministerpräsidenten in der Sachsen-LB-Affäre.