Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 18.08.2006
16 Aktenordner mit Vorwürfen
Landtagswahl 1999. Die Justiz hält Ex-Minister Kajo Schommer Untreue und Bestechlichkeit vor.
Kritik an der eigenen Person kennt Kajo Schommer, der als CDU-Staatsminister von 1991 bis 2002 das sächsische Wirtschaftsressort unter sich hatte, zur Genüge. Auch hat er Erfahrung mit der Justiz, in deren Visier er zuletzt mehrfach geriet. Bislang hat das den oft als „Gute-Laune-Politiker“ geschmähten Christdemokraten allerdings nie so richtig angefochten.
Staatsgeld für CDU-Werbung?
Doch der gestrige Schlag war auch für ihn heftig und er kam aus einer unerwarteten Richtung. Die Staatsanwaltschaft Dresden will den 66-Jährigen jetzt wegen Bestechlichkeit und Untreue vor Gericht bringen. Damit holt Schommer zur allgemeinen Überraschung ausgerechnet ein Fall ein, von dem viele glaubten, er sei längst ergebnislos im Sand verlaufen: Bereits 2002 hatte der frühere Vorstand der Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG), Ulf Rittinghaus, Schommer damit erstmals in Bedrängnis gebracht. Der einstige Vorzeige-Unternehmer, der sich zu dem Zeitpunkt längst mit der Staatsregierung überworfen hatte und sie bis heute für seine Insolvenz mitverantwortlich macht, brachte damals einen vermeintlichen Spendendeal an die Öffentlichkeit. Demnach habe ihm Schommer vor der Landtagswahl im Jahr 1999 persönlich einen Handel vorgeschlagen. Wenn die SAG zur Unterstützung der CDU die Imagekampagne „Sachsen für Sachsen“ finanziere, werde die Regierung im Gegenzug dem Unternehmen später bei zu zahlenden Fördermitteln entgegenkommen. Tatsächlich schoss die SAG für die Kampagne drei Millionen Mark zu und tatsächlich kam es nach dem souveränen CDU-Wahlerfolg zu einer umstrittenen Erhöhung der Landeszuschüsse um vier Millionen Mark, als die SAG einen wichtigen Firmenkauf tätigte.
Anklageerhebung umstritten
Während Rittinghaus seinen Vorwurf sogar unter Eid vor einem Untersuchungsausschuss des Landtages wiederholte, erklärte Schommer dort – unterstützt von Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) – genau das Gegenteil. Auf keinen Fall habe es eine solche Absprache gegeben. Schommer räumte lediglich ein zufälliges Treffen mit Rittinghaus ein, wo er in „Weinlaune“ möglicherweise auch über eine Spende an die CDU gescherzt haben könnte. Ansonste sei absolut nichts gewesen. Geklärt wurde die Sache offiziell nie. Der Ausschuss stellte mit Ablauf der Legislaturperiode im Herbst 2004 seine Arbeit ein. Zuvor ätzten dessen Mitglieder: Man wisse immer noch nicht, ob man nun Schommer oder Rittinghaus „weniger glauben soll“.
Die Wahrheit sollen nun 16 Aktenordner ans Licht bringen, die die Staatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit zusammengetragen hat, seitdem die SZ im September 2005 öffentlich machte, dass die Justiz weiter an dem Fall arbeitet. „Es ging einfach nicht früher, uns kam es auf Gründlichkeit an“, betonte Sprecher Christian Avenarius, nachdem nun sofort Spekulationen über die Hintergründe der plötzlich drohenden Anklage gegen Schommer die Runde machen. Vor allem dessen Parteifreunde halten das Vorgehen der Justiz gegen den Ex-Minister für unverhältnismäßig. Mit „mehr als starker Verwunderung“ nehme man die Anklageerhebung zur Kenntnis, hieß es drohend aus der CDU-Landtagsfraktion. Für die „absurden Behauptungen“ würde jeder Beleg fehlen. Solche Reaktionen sind nicht neu. Bei einem anderen Verfahren, in dem geprüft wird, ob Schommer zu Unrecht ein Beraterhonorar von 600 000 Euro kassierte (siehe Kasten), sprach Fraktionschef Fritz Hähle sogar von einer „politische Hexenjagd“. Der aktuelle Fall ist nun noch brisanter, da er nicht nur Schommer, sondern auch die CDU in die Bredouille bringen könnte.
Lob bekommt die Justiz von der Opposition. Der grüne Abgeordnete Johannes Lichdi stichelte zufrieden, damit sei klargestellt, dass „in Sachsen auch ehemalige Mitglieder der Landesregierung vor dem Gesetz gleich sind“. Offenbar hatte er daran Zweifel. Aber auch im Regierungslager gab es einsamen Beifall. Karl Nolle (SPD), einst selbst eifriges Mitglied im Untersuchungsausschuss, freut sich schon, dass nun die „Schönredereien, Beschwichtigungen, Verharmlosungen und Irreführungen durch die rheinische Frohnatur Schommer“ wohl bald ein Ende haben werden. S.1
Von Gunnar Saft