Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 18.08.2006

Korruptionsvorwürfe gegen Schommer

 
Dresden. Im August 2003 machte der frühere Wirtschaftsminister Kajo Schommer in kleiner Runde eine seltsame Rechnung auf. "Ich müsste ja 13 Millionen Mark zurückzahlen, wenn die Vorwürfe stimmen würden - die Fördersumme und den dreifachen Betrag als Strafe." Ob er sich damit entlasten wollte, oder ob er Zweifel an seiner eigenen Version hatte, blieb Schommers Geheimnis. Aber schon damals stand die Frage im Raum: Ist der langjährige Chef des Wirtschaftsministeriums in der Biedenkopf-Regierung korrupt gewesen?

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ihr Urteil darüber gefällt. Sie erhebt Anklage gegen den CDU-Politiker. Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Zentrums für Mikroelektronik Dresden (ZMD) an die Sachsenring AG (SAG/Zwickau) 1998 wirft sie Kajo Schommer Bestechlichkeit und Untreue in besonders schwerem Fall vor. Das erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Christian Avenarius, gestern gegenüber DNN. Neben den Korruptionsvorwürfen gehe es auch um uneidliche Falschaussagen vor einem Untersuchungsausschuss.

Mitgift für denWahlsieg?

Schommer soll 1998 an den SAG-Chef Ulf Rittinghaus herangetreten sein, um ihn für die Unterstützung der CDU vor der Landtagswahl im September 1999 zu gewinnen. Rittinghaus habe eine direkte Unterstützung abgelehnt, woraufhin Schommer ihm nach Ansicht der Ermittler ein finanzielles Angebot machte. Das konkursgefährdete ZMD sollte beim Verkauf an die SAG eine Mitgift von zunächst 25 Millionen Mark erhalten. Schommer habe jedoch bei einem Gespräch mit Rittinghaus am Rande einer Autoausstellung in Günthersdorf am 9. Oktober 1998 vorgeschlagen, diese Zulage um vier Millionen zu erhöhen. Rittinghaus sollte dafür im Gegenzug eine Unterstützungskampagne für die CDU mitfinanzieren. Tatsächlich wurde der Zuschuss wenige Tage später um vier auf 29 Millionen Mark erhöht und im Sommer 1999 verbreitete die Kampagne "Sachsen für Sachsen", die im wesentlich von der SAG finanziert wurde, Lobeshymnen über den Freistaat. Die CDU gewann die Wahl und konnte weiter mit absoluter Mehrheit regieren.

Doch dann überwarfen sich Rittinghaus und Schommer, schließlich ging die SAG im Sommer 2002 Pleite. Im Herbst legte Rittinghaus daraufhin im "Stern" und dem MDR-Magazin "Fakt" seine Sicht der Dinge auf den Tisch. Schommer war damals schon nicht mehr im Amt.Finanzminister Georg Milbradt hatte als Nachfolger von Regierungschef Kurt Biedenkopf im Mai 2002 mit Martin Gillo (alle CDU) einen neuen Ressortchef installiert.

Schommer bestritt die Vorwürfe und ging gegen das Nachrichtenmagazin "Stern" sogar gerichtlich vor. Die Landtagsopposition von SPD und PDS setzte einen Untersuchungsausschuss ein, in dem sich Karl Nolle seinen Ruf als Chefaufklärer der Sozialdemokraten erarbeitete. Endgültig aufklären konnte das von Andre Hahn (PDS) geführte Gremium die Sache nicht. Als auch noch der Subventionsskandal um die bei der Qualifizierungsgesellschaft QMF in Maßnahmen für ZMD und SAG versickerten Millionen dazu kam, waren die Abgeordneten am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Wegen des QMF-Skandals sind inzwischen bereits gegen einen früheren Staatssekretär und zwei Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium Anklagen erhoben worden.

Unglaubwürdige Zeugen

Auch im Untersuchungsausschuss bestritten die Akteure aus dem Wirtschaftsministerium einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Zuschuss und CDU-naher Kampagne. Zeugen aus dem Umfeld von Ulf Rittinghaus bestätigten dagegen dessen Version. Für die CDU waren diese Aussagen allerdings grundsätzlich unglaubwürdig.

Die Korruptionsermittler der Sondereinheit "Ines" bei der Staatsanwaltschaft Dresden sehen das offenbar anders. Sprecher Avenarius: "Wir werfen Herrn Schommer vor, aus parteipolitischen Gründen den Zuschuss der Landesregierung erhöht zu haben." Nach Abzug aller Kosten sollte der SAG dabei eine Million zugute kommen. Die Firma gab für die Kampagne etwa drei Millionen Mark aus. Avenarius machte deutlich, dass sich Schommer nicht selbst bereichert habe. "Er hat nach unserer Ansicht jedoch sein Amt benutzt, um parteipolitische Vorteile zu erlangen", sagte der Sprecher. Die Anklage sei lange und sehr genau durchdacht.

Schommer sieht das naturgemäß ganz anders. "Die Anklage ist für mich ein abenteuerliches Konglomerat aus substanzlosen Mutmaßungen und nicht nachvollziehbaren Spekulationen." Es sei aber gut, so erklärte er gegenüber der dpa, dass nun "endlich ein ordentliches Gericht diese unhaltbaren Vorwürfe zur Prüfung auf den Tisch bekommt".

Welche Folgen die Angelegenheit für die CDU in Sachsen hat, ob sie möglicherweise gegen Regeln der Parteienfinanzierung verstoßen hat und damit Strafzahlungen drohen, ist noch unklar. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Da die Kampagne aber über einen Verein abgewickelt worden war, könnte der direkte Bezug zu den Finanzen der Partei fehlen.

Schommer gilt natürlich zunächst weiter als unschuldig. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wäre es allerdings kaum mit einer Geldstrafe getan. Auf Bestechlichkeit und Untreue eines Amtsträgers in besonders schwerem Fall steht laut Avenarius eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft.
Ingolf Pleil