Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 04.09.2006
Nolle sieht weiteren Beleg für Anklage
Affäre. In dem Verfahren gegen Ex-Minister Kajo Schommer ist ein neues Dokument aufgetaucht.
Sachsen für Sachsen. So hieß eine legendäre Imagekampagne, die 1999 mitten im Landtagswahlkampf für den Standort Sachsen warb. Kosten: rund drei Millionen Mark. Sieben Jahre später wird immer noch darüber spekuliert, wer diese Summe tatsächlich in die Sachsen-sind-Spitze-Sprüche investiert hat und warum.
Mehrere Gerichte und ein Untersuchungsausschuss haben sich seither mit der bundesweiten Werbeaktion (Original-Ton: „Ich finde Sachsen gut, weil wir einen ganz tollen Ministerpräsidenten haben“) befasst. Eine Erkenntnis lautet: Wenn Lügen Balken verbiegen könnten, müssen alle Beteiligten froh sein, dass der Landtag nicht aus Holz gebaut ist. Die Frage ist nur, welches der beiden Lager in dieser Affäre näher dran ist an der Wahrheit. Demnächst – ein Prozesstermin ist noch nicht absehbar – muss das Landgericht Dresden entscheiden, welche Version der inzwischen sieben Jahre alten Geschichte stimmen könnte. Auf der Anklagebank sitzt dann der ehemalige Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU). Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in diesem Zusammenhang Bestechlichkeit, Untreue und Falschaussage vor.
Die Drei-Millionen-Kampagne
Ausgangspunkt für die Anschuldigungen sind Aussagen des Unternehmers Ulf Rittinghaus. Er war einst Vorstand der Sachsenring Automobilbautechnik AG (SAG) in Zwickau. Vor dem Sachsenring-Untersuchungsausschuss des Landtages sagte Rittinghaus 2003 aus, dass Schommer ihn im Oktober 1998 um eine Spende von damals fünf Millionen Mark für die CDU ersucht habe. Er habe es abgelehnt, die Spende zu zahlen, doch später gab er drei Millionen Mark für die Imagekampagne „Sachsen für Sachsen“. Laut Rittinghaus hatte das Land im Gegenzug seine Zuschüsse für den Verkauf des staatseigenen Chipherstellers Zentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) an die SAG um vier Millionen Mark erhöht. Schommer weist die Vorwürfe zurück. Er bestreitet vehement einen Zusammenhang zwischen der Finanzierung der Kampagne und der Erhöhung der Landeszuschüsse für den Firmenkauf. Einen Spendendeal habe es nie gegeben. Die damaligen Oppositionsfraktionen PDS und SPD haben im Untersuchungsausschuss die These vertreten, „Sachsen für Sachsen“ sei keine Initiative sächsischer Bürger und Unternehmer gewesen, sondern eine raffiniert getarnte Wahlkampfaktion der damaligen CDU-Alleinregierung.
Plumpe Lobhudeleien
Jetzt, kurz nach der Anklageerhebung Anfang August, ist ein neues Dokument aufgetaucht, das bisher als verschwunden galt und nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Karl Nolle die Vorwürfe gegen Schommer untermauert. Es handelt sich dabei um eine Art Wahlkampfskizze für die CDU, die eine Beraterfirma namens Innovatio erstellt hat. Daraus geht hervor, dass die spätere Werbereihe „Sachsen für Sachsen“ jedenfalls ursprünglich als reine parteipolitisch motivierte CDU-Wahlkampfaktion geplant gewesen sei. Neben üblichen Wahlkampfmethoden heißt eine der Aktionen „Wie andere uns helfen können“. Sie beschreibt die Idee, dass Menschen in Kleinanzeigen auf die Erfolge des Landes aufmerksam machen – Tenor: Sachsen hat sich gut gemacht. Das Wahlkampfpapier wurde von Innovatio-Chef Schatz im Februar 1999 nach einem Treffen auf Schloss Eckberg in Dresden verfasst, an dem laut Aussageprotokoll Schommer, Rittinghaus und Ex-Regierungssprecher Michael Sagurna teilgenommen haben. Schommer hatte im Ausschuss dagegen erklärt, bei dem Treffen sei es ausschließlich um eine Sympathiekampagne der sächsischen Wirtschaft gegangen, mit Wahlkampf habe er selbst nie etwas zu tun haben wollen. Für Nolle ist das Schatz-Papier ein Beweis, dass Schommer falsch ausgesagt hat.
Tatsächlich wurden die geplanten Lobhudeleien auf die Biedenkopf-Regierung später wieder aus dem Konzept gestrichen – auf Anraten Sagurnas. Er fürchtete, sie seien zu plump und würden deshalb dem Ansehen der Regierung mehr schaden als nutzen. Schatz hat bereits bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Wie das Gericht seine Aussage bewertet, wird der Prozess zeigen.
Von Karin Schlottmann