Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 18:03 Uhr, 18.09.2006
Koalitionskrach um verfallene Fördergelder
Wirtschaftspolitiker der CDU kritisieren Arbeitsminister - SPD weist Schuldzuweisungen zurück
Dresden (ddp-lsc). In der CDU/SPD-Koalition zeichnet sich ein neuer Konflikt um die Verwendung von europäischen Fördergeldern ab. Vertreter beider Parteien gaben sich am Montag gegenseitig die Schuld dafür, dass zum Jahresende voraussichtlich etwa 60 Millionen Euro an Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) verfallen werden. Arbeitsminister Thomas Jurk (SPD) hatte diese Summe in der vergangenen Woche eingeräumt. Mehrere CDU-Wirtschaftspolitiker warfen ihm nun vor, die EU-Förderung «vergeigt» zu haben.
SPD-Landtagsfraktionsvize Stefan Brangs stellte sich unterdessen hinter den Minister.
Jurk hatte zur Begründung, weshalb die Gelder nicht abgerufen wurden, auf «verschärfte Richtlinien» in Sachsen verwiesen. Diese stammten von der früheren CDU-Alleinregierung und hätten im Abrechnungszeitraum die Flexibilität beim Einsatz der Fördergelder drastisch eingeschränkt. ESF-Gelder seien in Sachsen «früher politisch nicht gewollt» gewesen, fügte der Minister unter Anspielung auf die bis vor zwei Jahren allein im Freistaat regierende CDU hinzu.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Landeschef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Andreas Lämmel, nannte es «ein politisches Armutszeugnis», dass Jurk die EU-Förderung verfallen lasse. Er attestierte dem Minister zugleich «Ideenlosigkeit». Bereits zu Jahresbeginn habe die CDU Konzepte vorgelegt, um Langzeitarbeitslose und Jugendliche ohne Bildungsabschluss zu fördern und für einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Im Frühjahr habe Jurk die CDU-Pläne, wonach bis zu 20 000 Personen in ein solches Programm integriert werden könnten, mit dem Hinweis auf fehlende EU-Förderung als nicht durchführbar zurückgewiesen.
«Wie falsch dies war, zeigt sich nun vor dem Hintergrund von 60 Millionen Euro nicht verwendeter Mittel», fügte Lämmel hinzu. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Gunter Bolick, kritisierte den Chef des Koalitionspartners SPD. Jurk habe «leider wichtige Finanzmittel der Europäischen Union für unsere Arbeitslosen nutzlos verfallen lassen», monierte Bolick.
SPD-Fraktionsvize Brangs wies die Kritik umgehend zurück. Bolick sei wohl entgangen, dass die CDU in Sachsen seit Jahren eine Politik gegen den ESF betrieben habe. Viele Jahre lang sei das Interesse der Union an ESF-Mitteln gleich null gewesen. «Der von Bolick bedauerte Verlust von wichtigen Finanzmitteln in Millionenhöhe geht voll und ganz auf Rechnung der CDU-Alleinregierung», sagte Brangs. Wegen der damaligen restriktiven Handhabung der ESF-Förderung hätten nur wenige Anträge bewilligt werden können. Deshalb sei beispielsweise die Qualifizierung von Arbeitslosen nicht in dem möglichen Maße vorangetrieben worden. Jurk habe dagegen mit neuen Förderrichtlinien den richtigen Weg beschritten, um mehr Menschen in Sachsen in Lohn und Brot zu bringen.
Von Tino Moritz
(Quellen: alle in Mitteilungen)
ddp/tmo/mwa
181803 Sep 06