Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 17.10.2006
Ladenschluss spaltet Koalition
Öffnungszeiten. Politiker der CDU-Fraktion setzen den Koalitionspartner SPD und ihren eigenen Regierungschef Milbradt mehrheitlich unter Druck.
Im Streit über das künftige sächsische Ladenschlussgesetz sind gestern 32 der 54 CDU-Landtagsabgeordneten überraschend in die Offensive gegangen. Sie kündigten einen eigenen Gesetzentwurf an, der deutlich über das bisher von der Dresdner CDU-SPD-Koalitionsregierung favorisierte Modell hinausgeht und unter anderem die völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten von Montag bis einschließlich Sonnabend vorsieht (siehe Kasten).
Dieser Vorstoß ist gleich aus mehreren Gründen äußerst brisant. So wird der Antrag der CDU-Abgeordneten auch von Kultusminister Steffen Flath und damit von einem Regierungsmitglied unterstützt. Flath distanziert sich dadurch offiziell von einem Beschluss im Koalitionskabinett, mit dem sich die Ministerrunde kürzlich hinter das Reformmodell von SPD-Wirtschaftsminister Thomas Jurk gestellt hatte. Jurk plädiert aber nicht zuletzt auf Druck der Gewerkschaften nur für eine geringfügige Erweiterung der bisherigen Öffnungszeiten.
Regierungsmodell wackelt
Auf die gestrige Attacke der CDU-Fraktion reagierte der Sozialdemokrat jedoch vergleichsweise gelassen. „Ich werde mich nicht in die Meinungsbildung unseres Koalitionspartners einmischen“, erklärte Jurk und spielte damit indirekt darauf an, dass der nunmehr offene Streit um den Ladenschluss nicht nur am Koalitionstisch für eine Krise sorgen dürfte, sondern auch CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt unter Druck setzt.
Tatsächlich sehen Beobachter in dem Vorstoß der CDU-Fraktionäre, zu denen zum Beispiel die Ex-Minister Matthias Rößler, Karl Mannsfeld und Martin Gillo gehören, auch eine Kraftprobe innerhalb der christdemokratischen Partei, bei der sich einzelne Politiker für künftige Personalentscheidungen in Stellung bringen wollen.
Offiziell werden jedoch andere Gründe genannt. So verweisen die Christdemokraten jetzt darauf, dass sie sich seit Jahren für eine Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen einsetzen und dies nun auch politisch umsetzten möchten. Zudem dränge die Zeit, da immer noch unklar sei, in welchem Umfang Geschäfte dieses Jahr zum Beispiel an Adventssonntagen öffnen dürfen. Die 32 CDU-Abgeordneten kündigten deshalb an, ihren Gesetzesantrag auch gegen den Willen des Koalitionspartners noch in dieser Woche in den Landtag einzubringen. Ob es dazu kommt, wird voraussichtlich aber erst auf einer absehbar turbulenten Fraktionssitzung am Mittwoch entschieden.
Bis dahin muss nun auch die SPD warten, deren Fraktionschef Cornelius Weiss die CDU-Aktion gestern verärgert „unseriös“ nannte und vor allem Minister Flath rügte.
Die Opposition höhnt unterdessen angesichts des sich zuspitzenden Streits der beiden Regierungspartner um die Wette. Die FDP stichelte, man sei gespannt, ob die CDU wirklich den Mut aufbringe, das „händler- und kundenfeindliche“ Gesetz von Jurk zu stoppen. Die PDS, die die Freigabe der Öffnungszeiten ablehnt, warnte die SPD wiederum davor, sich von der CDU erneut „am Nasenring durch die Arena“ ziehen zu lassen.
Von Gunnar Saft