Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 20.10.2006
Dienstwagen-Affäre: Landtagspräsident Erich Iltgen in Not
Dresden. Eigentlich hatte Erich Iltgen (CDU) gestern einen netten Termin außer Haus. Die Obstland Dürrweitzschen AG wollte der Landtagspräsident am Vormittag besuchen, eine kleine Gelegenheit zur Repräsentation. Doch daraus wurde nichts. Nach den Vorwürfen zum zweifelhaften Dienstwagen-Gebrauch des obersten Landesvertreters musste Iltgen kurzfristig umdisponieren - Anfragen beantworten, Statements abgeben. Krisenmanagement nennt man das gemeinhin.
Grund ist Iltgens Nobelkarosse. Laut Abgeordneten-Gesetz (Paragraf 6) müssen jene Parlamentarier, die über einen persönlichen Dienstwagen verfügen, 215 Euro monatlich als Fahrtkostenpauschale an den Landtag zahlen. Iltgen aber tut das seit Mitte der 90er Jahre nicht, sondern beruft sich auf Sonderabsprachen mit dem Rechnungshof. So auch gestern wieder: In einer eilig zusammengefassten Erklärung wies er alle Vorwürfe zurück. "Die Nutzung des mir zur Verfügung stehenden Dienstwagens erfolgt strikt nach den rechtlichen Regelungen", ließ er öffentlich verbreiten. Noch am Mittwoch hatte er allerdings gegenüber DNN gesagt, er behandle seinen Dienstwagen "wie ein Pool-Auto" - also eben nicht personengebunden.
Hier gab es gestern erhebliche Kritik von Seiten der Opposition. "Es ist wieder mal ein sehr kritischer Moment im Leben des Präsidenten", sagte FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. Iltgen sei "die moralische Instanz des Landtags schlechthin", müsse in allen Fragen Vorbild sein. Ähnlich argumentierte André Hahn, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion. "Es wäre wünschenswert, dass Herr Iltgen gegenüber dem Landtagspräsidium eine ausführliche Erklärung abgeben würde." Gleichzeitig regte Hahn eine Arbeitsgruppe zwecks Akteneinsicht an.
Darüber hinaus gab es gestern weitere Vorwürfe gegen Iltgen. Grund ist die Tatsache, dass er als CDU-Abgeordneter kein eigenes Bürgerbüro im Wahlkreis hat, obwohl Parlamentarier hierfür Geld aus der Staatskasse erhalten. Für Verwunderung sorgte dabei, dass Bürger, die Iltgens Wahlkreis-Nummer anwählen, das Präsidialbüro des Landtages am Telefonhörer haben. An Stelle des Bürgerbüros fungiert derzeit eine Art "Briefkastenfirma" beim CDU-Kreisverband in der Dresdner Rähnitzgasse.
Auch diese Vorwürfe wies Iltgen gestern zurück. Er sehe darin keine Verquickung zwischen Präsidentenamt und Parteiarbeit, sagte er. Das frühere Bürgerbüro sei im Mai gekündigt worden, er suche ein neues. Hahn kritisierte das vehement. "Dass ein Abgeordneter kein eigenes Bürgerbüro hat, ist eigentlich unvorstellbar."
Gewürzt werden die aktuellen Verwerfungen rund um den Präsidenten nicht nur durch den beinharten Disput mit Ex-Innenminister und "Parteifreund" Heinz Eggert, der von Iltgen eine öffentliche Entschuldigung zum "Schwänzer"-Vorwurf verlangt. Dahinter dämmert vielmehr das Ringen um die Zukunft der Sachsen-CDU insgesamt. Seit längerem denken führende Unionskreise über die Zeit nach Iltgen nach. Die Vorzugsvariante lautet: CDU-Fraktionschef Fritz Hähle könnte den Präsidentenjob von Iltgen übernehmen, und ein CDU-Minister mit Ambitionen könnte Fraktionschef werden - Kultusminister Steffen Flath. Hintersinn dieser Variante: Damit wäre Flath endgültig erste Wahl als möglicher Kronprinz von Regierungschef Georg Milbradt (CDU).
Jürgen Kochinke