Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 01.12.2006
NPD-Offerte für Nitzsche
Dresden. Für Henry Nitzsche brechen schwere Zeiten an. Nachdem der umstrittene CDU-Bundestagsabgeordnete am Mittwoch erneut mit markig-dubiosen Sprüchen aufgefallen war, folgten gestern die ersten Rücktrittsforderungen. Der CDU-Mann vertrete "lupenreine NPD-Positionen", sagte die Landeschefin der Linkspartei, Cornelia Ernst, Sachsens CDU-Chef Georg Milbradt müsse dafür sorgen, dass "der unverbesserliche Wiederholungstäter" sein Bundestagsmandat abgibt. Konsequenzen forderten auch SPD-Fraktionsvize Stefan Brangs sowie die Fraktionschefin der Grünen, Antje Hermenau.
Auslöser für die Kritik war ein Auftritt von Nitzsche bei einer CDU-Veranstaltung im Juni in Ostsachsen. Im Beisein von Ex-Minister Matthias Rößler (CDU) hatte der CDU-Kreischef nach Aussage von Teilnehmern vom deutschen "Schuldkult" und von regierenden "Multi-Kulti-Schwuchteln in Berlin" gesprochen (diese Zeitung berichtete). Der CDU-Stadtchef von Wittichenau, Ludger Altenkamp, hatte gegen die seiner Meinung nach ",erstklassigen' NPD-Äußerungen" Nitzsches protestiert. Vor vier Tagen, also über fünf Monate nach dem Eklat, war er dann zurückgetreten - wegen der Ausfälle "seines" Kreischefs, aber auch wegen der Nachlässigkeit der CDU.
So hat Altenkamp nach eigener Aussage monatelang mit seiner Kritik an Nitzsche allein gestanden. Rückendeckung habe er weder von Parteigremien vor Ort erhalten, noch von der CDU-Spitze in Dresden. In dieser Woche, nach Altenkamps Rücktritt, hatte sich Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer von Nitzsche öffentlich distanziert.
Für die Grüne Hermenau ist dies der eigentliche Eklat am Fall Nitzsche: "Dass die sächsische CDU ihm das durchgehen lässt, zeugt vom Werteverlust in dieser Partei", sagte sie. Auch SPD-Mann Brangs sprach von "unerträglichen Entgleisungen", die "nicht mehr tragbar" seien. Auf Distanz ging Sachsens Ausländerbeauftragte Friederike de Haas (CDU). "Nitzsches Äußerungen sind völlig inakzeptabel", sagte sie dieser Zeitung, "er sollte mal überlegen, in welcher Partei er ist". Mit dem christlichen Menschenbild der CDU jedenfalls hätten Ausdrücke wie "Multi-Kulti-Schwuchteln" nichts zu tun.
Bitter für Nitzsche war die Reaktion der rechtsextremen NPD. Fraktionschef Holger Apfel schickte dem CDU-Mann einen Aufnahmeantrag - und forderte ihn zum Parteiwechsel auf. Das Ganze garnierte er mit den Worten "Herr Nitzsche, schreiben Sie Geschichte und werden Sie erster Bundestagsabgeordneter der NPD".
Dabei hat Nitzsche nicht zum ersten Mal für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Kopfschütteln und heftigen Protest erntete er zum Beispiel 2003 für seinen Spruch vom "letzten Ali in der letzten Moschee". Und auch seine Äußerung, einem Muslim würde eher "die Hand abfaulen", ehe er der CDU seine Stimme gäbe, führte zu Irritationen. 2004 folgte dann Nitzsches Einschätzung zur EU-Politik. Tenor: "Rotgrüne Linke wollen das deutsche Volk auflösen und das christliche Abendland abschaffen."
Für die sächsische CDU ist die erneute bundesweite Debatte um ihren Rechtsaußen zwar peinlich. Parteistrategisch aber könnte sie einigen Christdemokraten gar ins Konzept passen. Denn bis heute steht die CDU im Freistaat vor dem Problem, einen passenden Bundestags-Wahlkreis für den Chef im Kanzleramt Thomas de Maizière (CDU) im Jahr 2009 zu finden. Nach neuestem Stand drängt sich nun ein Wahlkreis förmlich auf: Nummer 156, Kamenz-Hoyerswerda-Großenhain - der Beritt von Nitzsche.Friederike de Haas: "Nitzsches Äußerungen sind völlig inakzeptabel, er sollte mal überlegen, in welcher Partei er ist. Mit dem christlichen Menschenbild der CDU hat das nichts zu tun."Cornelia Ernst: "Herr Nitzsche ist ein unverbesserlicher Wiederholungstäter. Er vertritt lupenreine NPD-Positionen und spricht auch die Sprache der Rechtsextremisten."
Jürgen Kochinke