Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 04.12.2006
Sachsen-Union unter Druck
Dresden. Das Echo auf die Entgleisungen des CDU-Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche setzt Sachsens CDU-Spitze weiter zu. Nachdem Ende vergangener Woche der Zentralrat der Juden sowie Politiker von SPD, Grünen sowie - vereinzelt - der CDU herbe Kritik an rechtslastigen Äußerungen des Lausitzer Christdemokraten geübt hatten, machten am Wochenende weitere Meldungen die Runde. Tenor: Regierungschef Georg Milbradt (CDU) sowie Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hätten bereits einen Tag nach der fraglichen Veranstaltung am 8. Juni in Lieske (Kreis Kamenz) von den Ausfällen Nitzsches erfahren. Ernsthafte Konsequenzen aber seien ausgeblieben.
Dahinter steht kaum mehr verhohlen der Vorwurf, die sächsische CDU habe den Fall zu vertuschen versucht, vielleicht sogar insgeheim toleriert. Und erst als er Mitte vergangener Woche öffentlich wurde, hätten sich die CDU-Spitzen distanziert. Milbradt zum Beispiel hatte erst am vergangenen Freitag erklärt, Nitzsche habe dem "Bemühen um aufgeklärten Patriotismus einen Bärendienst erwiesen". Beim nächsten Fehltritt des Ostsachsen werde er "für die CDU untragbar".
Kretschmer wies den Vorwurf zurück, die CDU habe zu spät und nicht angemessen reagiert. So sei er bereits im Juni von einem Teilnehmer per E-Mail auf die Entgleisungen des Ostsachsen hingewiesen worden, sagte er gestern. Daraufhin habe er "Nitzsche die Meinung gesagt". Dieser Versuch, den Fall intern zu klären, sei "vom Verfahren her okay", meinte Kretschmer. Schließlich habe Nitzsche die Kritik "akzeptiert" und sich seitdem nichts mehr zu Schulden kommen lassen.
Das ist zwar richtig, kann aber trotzdem nicht vollends überzeugen. Denn Nitzsche gilt als Wiederholungstäter. Seine aktuellen Sprüche vom deutschen "Schuldkult" und den regierenden "Multi-Kulti-Schwuchteln" in Berlin sind nicht die ersten Ausfälle. Zuvor hatte Nitzsche bereits mit Sätzen vom "letzten Ali in der letzten Moschee" sowie weiteren rechtslastigen Parolen für Furore gesorgt. Hinzu kommt die Tatsache, dass Nitzsche erst am letzten Donnerstagabend zähneknirschend Einsicht zeigte. Bis dahin war er seine wenigen, parteiinternen Kritiker im Internet noch unter der Überschrift "Nachwachsender Unsinn - die wahre Geschichte" angegangen. "Akzeptanz" sieht wohl anders aus.
Jürgen Kochinke