Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 11.12.2006
Jurk festigt Startposition für Spitzenkandidatur
Sachsens SPD-Chef stichelt gegen CDU und streichelt Basis - Nolle sieht Linksruck
Oschatz. Bevor der Minister, der in Berlin für die Themen Aufbau Ost und Verkehr zuständig ist, zum nächsten Termin weitereilen musste, verteilte er Komplimente an die Statthalter in der Region. „Hut ab vor dem, was ihr geleistet habt", sagte Wolfgang Tiefensee in Richtung Thomas Jurk und Eva-Maria Stange. Die Bilanz von zwei Jahren Regierungsbeteiligung stand für die sächsische SPD im Mittelpunkt ihres Parteitages. So durfte Landesvorsitzender Thomas Jurk seine Wiederwahl mit 85,5 Prozent als Bestätigung für seine Arbeit als Wirtschaftsminister und Parteivorsitzender Werten.
Um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2009 geht es erst in zwei Jahren. Das weiß Tiefensee, das weiß auch Jurk, der mit einem besseren Resultat Gefahr gelaufen wäre, die Hürde für 2008 zu hoch zu legen. Jurk sprach zu Recht von einem „sehr ordentlichen Ergebnis", das ihn nicht übermütig werden lassen dürfe. Diese Gefahr besteht für Andreas Weigel sicher nicht. Der Zwickauer erhielt bei seiner Einsetzung in das seit 1999 verwaiste Amt eines Generalsekretärs 69 Ja- und 49 Nein-Stimmen. „Suboptimal" hätte Gerhard Schröder ein solches Resultat genannt, meinte Weigel, als er unter dem Beifall der Delegierten die Wahl annahm. Unbeliebt hatte er sich zuvor bei etlichen Genossen durch seine vehemente Ablehnung einer Frauenquote von 40 Prozent bei Ämtern und Mandaten gemacht. Mehrheitlich stimmte der Parteitag dennoch für eine Quotenregelung.
Dass die SPD offen für Frauen in Spitzenämtern ist, erfuhr die Leipziger Landrätin Petra Köpping. Mit 93 Prozent rückte sie als Vizevorsitzende auf. Köpping hatte sich mit ihrer kommunalen Verwurzelung empfohlen. Da konnte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Rolf Schwanitz, nicht mithalten. Der Plauener erhielt nur 66,4 Prozent. In Oschatz war von einem „sinkenden Stern" die Rede.
Dagegen blitzte die alte Kampfkraft des Rebellen Karl Nolle erneut auf. Mit überraschend großer Mehrheit folgte der Parteitag seinem Vorschlag, das Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer ab 45 Jahren nach Alter und nicht nach Beitragszahlung gestaffelt bis maximal 24 Monate weiterzuzahlen. Nolle, der zuvor eine neue Kapitalismuskritik gefordert hatte, sah seinen Wahlerfolg auch als Beweis für einen Linksruck der sächsischen SPD.
Allenfalls volkstümlich links profilierte sich der wiedergewählte Parteichef. Die SPD dürfe in der Wirtschaftspolitik das Feld nicht dem „neoliberalen Zeitgeist" überlassen, forderte Jurk. Seine Forderung nach Mindestlöhnen, seine Ablehnung des Rüttgers-Vorschlags zur verlängerten Zahlung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer, seine Plädoyers für Gemeinschaftsschulen und für ein kostenfreies Vorschuljahr waren Sticheleien an die CDU und Botschaften an die stärker als bisher von den Jusos geprägte Basis.
von Hubert Kemper