Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 21.02.2007
Die CDU sucht ihren Kompass
"Ich glaube nicht, dass die CDU anfängt, sozialdemokratische Politik zu machen. Sie ist eine konservative Volkspartei, christlich-wertorientiert, patriotisch und hat dabei einen hohen sozialen Anspruch.“
Anfangs habe er die CDU-interne Diskussion zur Familienpolitik noch für „Büttenreden“ gehalten, sagt Dirk Panter. „Doch die Verbissenheit, mit der unser Koalitionspartner ein vordemokratisches Familienbild ausgräbt, verwundert uns doch sehr“, kann sich Sachsens SPD-Landesgeschäftsführer die Kritik zum Aschermittwoch nicht verkneifen.
Seit Tagen streiten auch die sächsischen CDU-Granden über die richtige Familienpolitik – während die zuständige Ministerin, Helma Orosz (CDU), zurückgezogen zur Kur weilt. Nur einen kleinen Seitenhieb erlaubte sich ihr Ministerium gestern auf Kultusminister Steffen Flath, der seit Wochen mit mehreren Attacken auf den Ausbau von Krippen und mit scharfer Kritik an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen bundesweit Schlagzeilen macht. Der Minister habe im SZ-Interview behauptet, dass Eltern, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause erziehen, keine finanzielle Unterstützung erhielten. Das wolle man doch mal richtigstellen, heißt es in einer scheinbar lapidaren Erklärung.
Doch in Wirklichkeit steckt hinter der kleinen Geschichte parteiinterner Sprengstoff. Denn die von Flath mehrfach bekundete klare Präferenz von Frauen, die zu Hause bei ihren Kindern bleiben statt zu arbeiten, hat dort mächtig für Ärger gesorgt.
Das Profil soll gewahrt bleiben
„Es hat mich schon verwundert, dass man jetzt ein Thema erneut diskutiert, was längst bei uns besprochen war“, ärgert sich auch die stellvertretende Vorsitzende der Frauen-Union (FU), Marion Vehse. In einer großen Volkspartei wie der CDU müsse es zwar möglich sein, verschiedene Meinungen zu verkraften, meint sie zwar. „Aber es ging uns doch gerade darum, wie wir Frauen, die sich für ihren Beruf entschieden haben, ermutigen können, auch Kinder zu haben“, sagt Vehse. „Aber dabei ist ein gutes Krippen-Angebot entscheidend.“
Auch der Vorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Christian Piwarz, kann sich Kritik an Flath nicht verkneifen. „Er hat sich das Thema Familie wohl ein bisschen dazu ausgesucht, um sich zu profilieren“, meint der Landtagsabgeordnete. „Was er tut, ist ein Schritt zurück. Dabei hatten wir uns doch klar von der Losung Kirche-Kinder-Küche verabschiedet.“ Das christlich-konservative Profil der Partei müsse aber gewahrt bleiben, sagt Piwarz. Die CDU müsse ihr Profil als konservative Volkspartei schärfen, fordert Ex-Kultusminister Matthias Rößler. „Aber in einer offenen Gesellschaft muss es möglich sein, dass Frauen die Wahlfreiheit haben, wie sie Beruf und Kinder vereinbaren wollen oder ob sie ganz zu Hause bleiben.“ Wie er ist aber auch CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer dennoch froh, dass Flath die Diskussion geführt habe. „Frauen, die bewusst zu Hause bei ihren Kindern bleiben, sollen das Gefühl bekommen, dass auch ihre Lebensleistung gewürdigt wird.“
Von Annette Binninger