Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.05.2007

Röger im Visier der Ermittler

Vorermittlungen gegen Ex-Oberstaatsanwalt eingeleitet / Linksfraktion: Teil des Leipziger Filzes
 
Dresden (DNN). In der Affäre um brisante Akten zur Organisierten Kriminalität (OK) in Sachsen geht das Justizministerium in die Offensive — und nennt erstmals einen Namen. Die Staatsanwaltschaft Dresden habe Vorermittlungen gegen den Präsidenten beim Amtsgericht Chemnitz, Norbert Röger, eingeleitet, sagte Ministeriumssprecher Martin Marx gestern dieser Zeitung. Dabei gehe es um die Frage, ob ein Anfangsverdacht auf Straftaten gegen den hohen Justizbeamten vorliege. Nach mehreren Veröffentlichungen in den vergangenen Tagen sei die Staatsanwaltschaft zu diesem Schritt von Amts wegen verpflichtet, meinte Marx. Eine Vorverurteilung bedeute dies nicht.

Röger war bis Juli 2005 in Leipzig als amtierender Leitender Oberstaatsanwalt tätig. Danach wechselte er in dieser Funktion nach Götte: Vor vier Wochen wurde er von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zum Präsidenten des Amtsgerichts Chemnitz ernannt. Nach Ansicht von Klaus Bartl, Rechtspolitiker der Linksfraktion im Landtag, sei Röger „Teil des Leipziger Filzes". Unter anderem habe er als Oberstaatsanwalt „OK- Ermittler auf lokaler Ebene blockiert".

Schon deshalb ist die Beförderung zum Gerichtspräsidenten laut Bartl mehr als unverständlich. Es sei „ein Skandal, dass ein solcher Mann weiter im Amt" sei, meinte der Linksfraktionär. MackenrothSprecher Marx verteidigte dagegen die Entscheidung. Die Beförderung sei aus formalen Gründen erfolgt. Ein Verdachtgegen Röger habe damals nicht vorgelegen. Von den vier Bewerbern habe dieser das „höchste Ausgangsamt" sowie „jahrelange Leitungserfahrung" vorweisen können. Röger war gestern nicht zu erreichen.

Unterdessen wurde bekannt, dass der erste Komplex brisanter OK-Akten bereits in wenigen Tagen an die Staatsanwaltschaft gehen wird. „Ein Bereich ist nahezu übergabereif", sagte der Sprecher im Innenministerium, Falk Gruber. Derzeit werde das Material aus der geheimen Datensammlung vom Verfassungsschutz aufbereitet, einziges Kriterium dabei sei der Schutz der V-Leute und Informanten. „Quellenschutz ist Lebensschutz", sagte Gruber.

Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich dabei um den Komplexmit dem internen Titel „Abseits". Dieser Bereich dreht sich um Immobilienschiebereien sowie die Verwicklung von Justiz, Polizei und Politik mit dem Rotlichtmilieu. Schwerpunkt soll Leipzig sein, ähnliche Strukturen haben die Ermittler auch im Vogtland sowie in Chemnitz ausgemacht.

Nach Aussage von Gruber gehen die Daten direkt an Sachsens Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm sowie Generalbundesanwältin Monika Harms. Schwalm hatte am Mittwoch gesagt, Sachsens Anti-Korruptionseinheit Ines werde die Ermittlungen leiten. Die Linksfraktion besteht aber darauf, die Leitung in die Hände von Bundesbehörden zu legen. Darüber hinaus forderte sie gestern disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen Staatsanwälte und Richter.
von Jürgen Kochinke