Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 04.06.2007
Frivole Partys im Rathaus?
Immer neue Vorwürfe aus den Geheimdienst-Akten werden bekannt. Vor allem Leipzig und das Vogtland sind betroffen.
Vorige Woche lagen die Ordner mit dem Aktenzeichen 820Js23325/99 noch in den Kellern der Chemnitzer Staatsanwaltschaft–vom Hochwasser 2002 unversehrt, wie Oberstaatsanwalt Siegfried Rümmler bei einer Anfrage zu dem Fall sagte.
Die Akten könnten bald gebraucht werden. Sie beinhalten Erkenntnisse der Sonderkommission „Sumpf“, die das Landeskriminalamt nach Hinweisen auf Amtsmissbrauch, Korruption und Prostitution im Vogtland sammelte. Nach dem plötzlichen Selbstmord des Plauener Kripochefs Karlheinz Sporer 1999 wurden sie nach SZ-Informationen alsbald beendet. Vielleicht zu früh, denn nun hat der Verfassungsschutz neue Erkenntnisse zu den Vorgängen.
„Plauener Spinnennetz“
Auch im Vogtland soll ein Klüngel aus Bauunternehmern, Polizisten, ehemaligen MfS-Mitarbeitern, Rotlicht-Unternehmern und Justizdienern gewirkt haben, über den der Geheimdienst einiges mehr zusammengetragen hat, als einst das Landeskriminalamt. In den Akten wird angeblich auch ein FDP-Politiker genannt. Der Frankfurter Publizist Jürgen Roth spricht in seinem neuen Buch über Willkür in der Justiz vom „Plauener Spinnennetz“.
In der Affäre um Korruption und Amtsmissbrauch in Leipzig gerät das Rathaus zunehmend in Bedrängnis. Nach Angaben des „Spiegel“ hat der Verfassungsschutz unter dem Decknamen „Jaguar“ eine Quelle aufgetan, die angeblich glaubwürdig über frivole Partys in den Diensträumen und im Erotic-Club „Aphrodite“ berichtet. Prostituierte aus Tschechien seien „diskret ins Gebäude gebracht“ worden, wo sie einem „engen Mitarbeiterkreis“ zu Diensten waren, zitiert das Magazin aus einem Verfassungsschutzvermerk. Von drei verschiedenen Informanten stamme das Wissen. Einer nennt Namen.
Stammtisch im Edel-Italiener
Wie belastbar dieses Wissen für die Strafverfolgung ist, kann derzeit kaum einer sagen. Ebenso schwierig dürfte es werden, angebliche Stammtischabsprachen zu verfolgen, zu denen sich Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge städtische Bedienstete und Bauunternehmer in einem Leipziger Edel-Italiener getroffen haben sollen. Angeblich gab es „rechtswidrige Absprachen“.
Zu den Vorwürfen gegen die Leipziger Justiz gehören wohl auch die verdeckten Ermittlungen der Polizei wegen eines mutmaßlichen Kinderbordells im Stadtteil Möckern im Jahre 2002. Die Ermittler vermuteten, dass dort Kinder aus Tschechien zur Prostitution gezwungen wurden. Telefone wurden abgehört, Verdächtige ermittelt. Angeblich legte die Staatsanwaltschaft den Fall zu den Akten.
Von Thomas Schade