Karl Nolle, MdL
Die Welt, 06.06.2007
Linkspartei plant Untersuchungsausschuss
Korruption, Amtsmissbrauch und Prostituierte
Korruption, Amtsmissbrauch und Prostituierte - Sachsens Affäre um Organisierte Kriminalität in Amtsstuben wurde im Landtag heiß diskutiert. Die Opposition will vor allem wissen, warum die Regierung dem kriminellen Treiben so lange zugeschaut hat.
Bei einer Sondersitzung im Dresdner Landtag kam es zum heftigen Schlagabtausch. Der Innenminister warnte vor den Methoden eines „perfiden kriminellen Netzwerkes“, das noch immer agiere. Doch die Opposition erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung von Georg Milbradt (CDU): Elementare Kontrollmechanismen hätten in den letzten Jahren versagt. Die Linkspartei plant jetzt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Vor rund drei Wochen waren Details aus bisher geheim gehaltenen Akten des Verfassungsschutzes aufgedeckt worden, der jahrelang gegen die Organisierte Kriminalität ermittelt hatte. So soll es in Sachsen enge Verbindungen zwischen Rotlicht und Blaulicht geben:
Höchste Politik und Justizkreise sollen bei Immobilienschiebereien, Prostitution und Kindesmissbrauch mit den Tätern unter eine Decke gesteckt haben, heikle Gerichtsverfahren gegen die Szene sollen blockiert worden sein.
Zuletzt wurde sogar von bis zu neun Prostituierten berichtet, die mehrfach zu Spitzenbeamten ins Leipziger Rathaus gebracht worden sein sollen. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) räumte gestern ein, dass die kriminellen Verflechtungen nach wie vor aktiv sind. „Das perfide Netzwerk wird versuchen, mit seinen typischen Mitteln zurückzuschlagen, weil wir es zerstören wollen“, sagte Buttolo. Die Szene werde Rufmordkampagnen starten, sie werde versuchen, Misstrauen zu säen, zu verleumden und Leute einzuschüchtern. Nun müssten Regierung und Parlament zusammenstehen, um zu verhindern, „dass unser guten Ruf beschädigt wird“. Doch die Opposition will sich nicht mit frommen Wünschen abspeisen lassen und wirft den Sicherheitsbehörden Versagen bei der bisherigen Aufklärung vor.
Untersuchungsausschuss soll Verstrickung der Regierung klären
Die Linkspartei will dazu im Juli die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durchsetzen, für den die 31 Abgeordneten der Fraktion die erforderliche Stimmenzahl allein aufbringen. Das Gremium solle „die politische Verantwortung für das Versagen der Strafverfolgung gegenüber kriminellen Netzwerken aufklären", sagte Fraktionschef Peter Porsch. Über den genauen Untersuchungsauftrag werde noch mit FDP, Grünen und einzelnen Vertretern der SPD gesprochen. „Manche der Straftatvorwürfe sind verschiedenen Institutionen in Sachsen offenbar seit Jahren bekannt, ohne dass dagegen ernsthaft vorgegangen wurde. Jetzt aber ist es allerhöchste Zeit, auszumisten und aufzuräumen“, sagte Linkspartei-Politiker André Hahn. Er forderte zudem, die Verfolgung der Mafia-Vorwürfe der Generalbundesanwältin und dem Bundeskriminalamt zu übertragen. Der sächsische Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm sei „das personifizierte Gegenteil von parteipolitisch unabhängigen Ermittlungen“. Zu klären sei auch, wann Ministerpräsident Milbradt von den brisanten Akten erfahren und was er unternommen oder unterlassen habe. Das wollen auch die Grünen wissen. Die Kontrolle des Verfassungsschutzes durch den Innenminister habe „in blindem Vertrauen in die Schlapphüte jämmerlich versagt“, sagte Grünen-Innenpolitiker Johannes Lichdi. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) müsse sich kritisieren lassen, weil er nur zögerlich Akten abfordere und Ermittler bereitstelle. Lichdi: „Wir stehen einem Geraune im Politikraumschiff gegenüber, das sich längst verselbständigt hat.“ Milbradt habe es nicht geschafft, „für ein Klima der Aufklärung und Offenheit zu sorgen“.
Kanzleramtschef de Maizière in der Kritik
In die Kritik gerät dabei auch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU), der bis Ende 2005 Innenminister in Sachsen war. Der habe es nicht für nötig befunden, die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages frühzeitig über die Vorgänge zu informieren, obwohl es seine Pflicht gewesen sei, kritisierte SPD-Mann Stefan Brangs, der zur sächsischen Koalitionsregierung gehört. De Maizière hat dagegen erklären lassen, die „Ermittlungsdichte“ habe damals dafür nicht ausgereicht. Schlagworte
Sachsen Regierung Kriminalität Verfassungsschutz Georg Milbradt Die PKK hatte nach der Lektüre der brisanten Akten vor wenigen Tagen den Weg für die staatsanwaltlichen Ermittlungen freigemacht. Mittlerweile sind zwei erste Dossiers des Verfassungsschutzes in der Dresdner Justiz und bei der Generalbundesanwältin angekommen. Die Staatsanwaltschaft hält sich jedoch vorerst ebenfalls mit Informationen der Öffentlichkeit zurück, um die Ermittlungen, die Zeugen und die Ermittler selbst nicht in Gefahr zu bringen. Die Dresdner Regierungsmannschaft lässt die Kritik jedoch nicht auf sich sitzen. Milbradt betonte, er wolle die „schonungslose und vollständige Aufklärung aller Vorwürfe“, dies aber nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren. „Verdächtigungen, Spekulationen und Gerüchte belasten die Aufarbeitung mehr als dass sie nutzen“, so Milbradt. „Wer sich strafbar gemacht hat, wird seiner Strafe zugeführt.“ Innenminister Buttolo kritisierte zugleich die Linksfraktion. Sie habe den Verfassungsschutz immer abgelehnt, wolle sich nun aber an die Spitze der Bewegung stellen. Ohne den Geheimdienst hätte es die Erkenntnisse aber nicht gegeben, so Buttolo.
von Sven Heitkamp