Karl Nolle, MdL
Agenturen, ddp-lsc, 16:45 Uhr, 10.06.2007
De Mazière immer mehr unter Druck - Milbradt weiß seit langem von Korruptionsaffäre
Linkspartei fordert Rücktritt von Kanzleramtschef
Dresden (ddp-lsc). In der Korruptionsaffäre in Sachsen gerät der frühere Landesinnenminister und heutige Kanzleramtschef Thomas de Maizière immer stärker unter Druck. Er und sein Nachfolger Albrecht Buttolo (beide CDU) sollen früher von Korruptionsfällen sächsischer Politiker und Justizbeamter gewusst haben als bislang bekannt. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wollte am Wochenende nicht ausschließen, dass Kabinettsmitglieder bereits früher über die Datensammlung informiert waren. Auf die Frage, ob auch de Maizière Kenntnisse hatte, sagte er der Zeitung «Die Welt»: «Das mag sein.»
Nach Informationen des «Spiegel» geht aus einem internen Vermerk des Verfassungsschutzes hervor, dass die jetzt vorliegenden Fälle «zwischen April 2005 und Mitte Juli 2005 bekannt geworden» seien. Die Erkenntnisse seien zeitnah auch dem Innenministerium mitgeteilt worden, das seinerzeit von de Maizière geführt wurde. Demnach hätte es weitaus früher zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen können.
De Maizière wird anhand geheimer Vermerke des Verfassungsschutzes vorgeworfen, er habe in seiner Zeit als Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über brisante Erkenntnisse des Geheimdienstes informiert. Der Kanzleramtschef selbst sagt, für eine PKK-Information sei die «Erkenntnisdichte» damals zu gering gewesen.
Auch der jetzige Innenminister Buttolo, der unter de Maizière Staatssekretär war, hätte dem Magazinbericht zufolge viel früher einschreiten können. Obwohl das für den Geheimdienst zuständige Referat 47 schon im Jahr 2005 in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen sei, will Buttolo erst im März 2006 von den Netzwerken erfahren haben. Damals seien die Fälle noch immer «nicht weitergabereif» gewesen.
Milbradt weiß nach eigenem Bekunden erst seit einigen Monaten, dass der Verfassungsschutz Informationen über brisante Fälle organisierter Kriminalität in Sachsen gesammelt hat. «Ich bin vor einigen Monaten über das Problem informiert worden, dass Akten existieren und dass der Datenschutzbeauftragte eine Verwertung für rechtswidrig hält», sagte der Ministerpräsident. Er habe die Akten aber nicht gelesen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle erklärte, Milbradt sei bereits am 10. November 2006 in der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Kamenz im Beisein seines persönlichen Referenten von einem sächsischen Staatsanwalt über Korruption in der Justiz und über die Aktensammlung des Verfassungsschutzes informiert worden. Milbradt soll laut Nolle damals schweigend zugehört haben.
De Maizière wird von Nolle vorsätzlicher Rechtsbruch vorgeworfen. Laut Gesetz habe der Innenminister die PKK umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das habe de Maizière aber nach eigener Aussage nicht getan.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt de Maizières: «Wenn es wirklich stimmt, dass de Maizière während seiner Zeit als sächsischer Innenminister von Verfassungsschutzinformationen zu organisierter Kriminalität gewusst hat, dies aber weder der PKK noch den Ermittlungsbehörden mitgeteilt hat, dann stellt sich die Frage, ob das nicht Strafvereitelung im Amt war.» Medienberichten zufolge soll ein Dresdner Rechtsanwalt bereits Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen de Maizière gestellt haben.
In der Affäre geht es um eine Datensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes, in der auf rund 15 000 Seiten angeblich brisantes Material über Verbindungen von Justiz- und Polizeibeamten sowie Politikern zum organisierten Verbrechen gesammelt worden sein soll.
(Weitere Quellen: Milbradt in der Zeitung «Die Welt» (Montagausgabe); Nolle und Maurer in Pressemitteilungen)
Von Angela Meier
ddp/lam/pon
101645 Jun 07