Karl Nolle, MdL

DIE WELT online, 10.06.2007

Korruption in Sachsen: Strafanzeige gegen Kanzleramtschef de Maizière

 
Der frühere Innenminister Sachsens soll gewusst haben, dass es Informationen des Geheimdienstes zu Verbindungen zwischen Justiz und organisierter Kriminalität gab. Dieses Wissen habe er aber nicht vorschriftsmäßig weitergegeben.

Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft im Zug der sächsischen Affäre um organisierte Kriminalität und Korruption eine Strafanzeige gegen Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU). „Ich hoffe, dass wir möglichst bald Genaueres sagen können“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius. Gegen den früheren Innenminister Sachsens sei eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gestellt worden.

Seit knapp vier Wochen sorgen in fast täglich neue schwere Vorwürfe gegen Richter, Staatsanwälte, Polizisten und hohe Politiker für Aufregung. Medienberichten zufolge enthalten bislang geheime Verfassungsschutzakten Hinweise auf brisante Verbindungen von Justiz, Polizei und Politik zur organisierten Kriminalität. Erste Unterlagen waren in den vergangenen zwei Wochen an die Staatsanwaltschaft Dresden und in Kopie an die Generalbundesanwaltschaft übermittelt worden.

De Maizière soll als Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) nicht über Erkenntnisse des Geheimdienstes informiert haben. Der PKK-Chef Gottfried Teubner (CDU) warf de Maizière vor, in seiner Zeit als sächsischer Innenminister (2004-2005) Vorschriften „nicht für ganz voll genommen“ zu haben. Sein Handeln im Umgang mit geheimen Verfassungsschutzakten sei „glatter Rechtsbruch“ gewesen. Für die Bundestagsfraktion Die Linke ist de Maizière nach den Vorwürfen als Kanzleramtsminister nicht mehr tragbar.

SPD-Abgeordneter sieht vorsätzlichen Rechtsbruch

Auch der Landtagsabgeordnete Karl Nolle (SPD) sprach von Rechtsbruch, da der Innenminister die PKK umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzes sowie über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten habe. „De Maizière hat dies nach eigener Aussage nicht getan und beging somit vorsätzlichen Rechtsbruch. Möglicherweise trifft das auch auf Buttolo zu“, sagte Nolle mit Blick auf Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU).

Georg Milbradt Albrecht Buttolo CDU Sachsen Korruption Thomas de Maizière Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) weiß seit mindestens acht Monaten, dass der Verfassungsschutz Informationen über möglicherweise brisante Fälle organisierter Kriminalität in Sachsen gesammelt hat. „Ich bin vor einigen Monaten über das Problem informiert worden, dass Akten existieren, und dass der Datenschutzbeauftragte eine Verwertung für rechtswidrig hält“, sagte Milbradt WELT ONLINE. Er wollte nicht ausschließen, dass andere Mitglieder der Landesregierung bereits früher über die Datensammlung zur organisierten Kriminalität informiert waren.