Karl Nolle, MdL
Dresden. Plenarsaal im Sächsischen Landtag, 15.09.2000
Technologieförderung in Sachsen muß Strukturpolitik sein
Rede zu Bewertungen und Zielen bei der Technologieförderung
Nolle, SPD: Herr Lämmel, Sie haben wieder mal den ersten Preis gewonnen als bester Weihrauchschwenker des Ministers für Wirtschaft und Arbeit.
(Beifall der SPD)
Aber es ist nicht das erste Mal, Sie sind eigentlich der bekannteste Weihrauchschwenker hier im Plenum. Das muss ich Ihnen wirklich sagen. Von dieser Art der aufgeregten Beiträge hören wir hoffentlich noch mehr, damit wir uns noch mehr freuen können über die Art und Weise, wie Sie jubeln und preisen, aber keine Aussage zur Realität machen.
Herr Prof. Bramke, ich kann Ihnen nur zustimmen; denn wenn wir zur Grundlage der Diskussion heute nehmen, was dort (in den Antworten der Staatsregierung) konkret beantwortet worden ist und nicht das, was irgendwo geschrieben steht und gemeint ist, dann kommt man genau zu dem Schluss, den Sie richtigerweise gefunden haben.
Unter dem jetzigen Tagesordnungspunkt, meine Damen und Herren - Entschuldigung, ich habe vergessen, mich bei der Präsidentin vorzustellen, das möchte ich nachholen, den Fauxpas sollte man nicht machen -
(Heiterkeit bei allen Fraktionen)
sollten wir uns mit den Berichten zu den Anträgen der PDS befassen, und zwar zu den Berichten, meine Damen und Herren, die das Thema Technologieförderung kommunizieren wollen. Die Anträge drücken das berechtigte Interesse dieses Parlamentes aus für folgende Fragen: 1. Wie sind die gegenwärtigen Bewertungen und Einschätzungen der Technologieförderung in Sachsen? 2. Was sind denn eigentlich die konkreten Ziele - nicht die allgemeinen - dieser sächsischen Technologieförderung?
Schaut man sich die umfangreichen Antworten des Wirtschaftsministers an, so kann man eigentlich sagen: Thema verfehlt. - Es ist schon erstaunlich, meine Damen und Herren mit welcher Eleganz die im Textsystem des Ministeriums vorhandenen automatischen Textbaustein zu Antworten zusammengebastelt werden, in denen Anleitungen, Einleitungen, Schlussworte und Zusammenfassungen von Gutachten abgekupfert werden, um dann in einem allgemeinen seelenlosen Brei von Scheinantworten zu generieren, die nur ein Ziel verfolgen, meine Damen und Herren, dem Antragsteller gegenüber formal die Pflicht zur Antwort zu erfüllen. Das ist nicht nur eine Geschichte, die wir hier an den Antworten zu den Anträgen erfahren, sondern das ist eigentlich das generelle Nebel-Werfen, Nebel-Werfen, Nebel-Werfen, Nebel-Werfen.
(Zuruf von der CDU)
Aber es gibt auch noch andere Textbausteine, als jene in Schriftform. Besonders schöne Textbausteine, nämlich verbale, die haben wir heute vormittag gehört, wie Sie unser zweiter Professor im Kabinett (Herr Milbradt) bei seiner sogenannten Haushaltsrede runtergeleiert hat.
(Heiterkeit bei der CDU)
Meine Damen und Herren!
Erstens: Welches sind die inhaltlichen Leitbilder dieser Regierung für die Technologieförderung?
Zweitens: Wie soll dieses Land in zehn Jahren aussehen, Herr Minister? Drittens: In welchen Regionen dieses Landes müssen wir was tun?
Viertens: Was müssen wir in den Regionen tun, was müssen wir dort tun? Fünftens: Wie müssen wir dies in den nächsten zehn Jahren tun?
(Zuruf von der CDU)
Wirtschaftspolitik, Wirtschafts- und Technologieförderung, meine Damen und Herren, das ist kein roter Briefkasten mit dem sächsischen Staatswappen daran, in den Interessenten ihre Anforderungen werfen, damit sie anschließend schön verwaltet werden können nach dem Motto: Kommt was rein in den Kasten, so ist es gut, kommt nichts rein, dann ist es umso besser, dann haben wir weniger Arbeit und sparen noch Geld.
Wirtschafts- und Förderungspolitik, meine Damen und Herren, das ist jedenfalls auch nach meiner Auffassung und der meiner Partei, der SPD, in erster Linie Strukturpolitik. Aber Strukturpolitik ist nicht, aus dem Fenster zu sehen, sondern langfristig zielgerichtet Rahmenbedingungen, ja, Stimulanzen zu schaffen, die den Markt entwickeln helfen, die es ihm erleichtern und die Akteure motivieren. Strukturpolitik kann man aber nur machen, meine Damen und Herren, wenn man weiß, was die Stärken und was die Schwächen, was die gravierenden Differenzen der einzelnen Regionen in Sachsen sind.
(Zuruf des Abg. Bolick, CDU)
Dafür sind die seit fünf Jahren ausstehenden regionalen Strukturentwicklungspläne, meine Damen und Herren, sehr notwendig. Aber diese Pläne werden wie heiße Kartoffeln zwischen den Ministerien hin und her getragen, und das schon seit fünf Jahren. Das nennen wir Politik im Blindflug. Das ist keine Strukturpolitik.
Die uns hier zugemuteten Antworten sind keine hinreichenden Antworten auf die gestellten Fragen, die ganz klar gestellt waren. Aus Ab- und Neufinanzierungsansätzen der betreffenden Haushaltstitel können wir die behauptete allgemeine Prioritätensetzung des SMWA nicht nachvollziehen. Hier herrscht von der Analyse der zahlen her mehr Stagnation als Entwicklungsdynamik. Was die 1999 nicht ausgeschöpften Mittel in Höhe von 63 Millionen DM angeht, ist doch zu fragen: Wann hat eine Regierung die Hausaufgaben erfüllt? Wenn der Haushalt aufgestellt ist oder wenn sie aktiv Marketing und Akquise so betrieben hat, dass ihre Ziele konkret umgesetzt worden sind bzw. werden können, und zwar mit allen Mitteln, wie das geplant ist?
Die Staatsregierung bekennt sich zwar zur Technologieförderung, hat jedoch die Umsetzung der Mittelabflüsse nicht im Griff - ausweislich der Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe. In Sachsen scheint an Technologieförderung offensichtlich kein Bedarf mehr zu bestehen, deswegen sind ja so wenig Mittel abgeflossen. Oder irre ich mich da? Gibt es doch noch Bedarf?
(Beifall bei SPD und PDS)