Karl Nolle, MdL
Aktueller Zwischenruf, 17.06.2007
Gedanken zu Mindestlohn, SPD und Parteigründung "Die Linke"
Was die SPD dringend braucht ist eine andere Politik und glaubwürdiges Personal.
Mindestlöhne und soziale Mindeststandards, vor allem für den Osten, fordern sächsische Sozialdemokraten öffentlich bereits seit dem Landtagswahlkampf 1999, damals galt das in der Bundes-SPD noch als völlig abwegig. Wenn wir gewollt hätten, hätten wir das unter Rot/Grün lange machen können ...
Wenn dann eine Regierungspartei in Berlin im Jahre 2007auf einmal Unterschriften für das schon im Bundestagswahlkampf gemachte politisches Versprechen "Mindestlohn" sammeln soll, um sich diese dann selber zu überreichen, kann ich mir nur mit inzwischen grassierender völliger Orientierungslosigkeit erklären. Was die SPD dringend braucht ist eine andere Politik und glaubwürdiges Personal.
Der Gipfel der Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit der Bundes-SPD allerdings war die Abstimmung zum Mindestlohn im Bundestag, vor wenigen Tagen, bei der bundesweit nur vier SPD-Abgeordnete, davon drei aus Sachsen, so abgestimmt haben, wie sie es ihren Wählern 2005 versprochen hatten. Die Wähler haben kein Verständnis für den parlamentarischen Firlefanz, am Sonntag für Mindestlohn Unterschriften zu sammeln und am Freitag genau dies im Bundestag abzulehnen.
Die "Neue Linke" und ihre nicht ausbleibenden Erfolge sind das Spiegelbild unser eigenen Versäumnisse, Fehler und Irrtümer.
Schröder, seine Freunde und Mitläufer haben mit ihren neoliberalen Verirrungen die sozialdemokratische Seele auf den Hund gebracht, Millionen von Wählern verloren und hundertausende von Mitgliedern aus der Partei getrieben. Diese Heerscharen von Enttäuschten sind das Potential für die kommenden Fischzüge der "Linken".
Ich frage, wo ist jemand bei uns in Sicht, der dem Saarländer rhetorisch und inhaltlich annähernd das Wasser reichen kann?
Mit einer dann durch Lafontaine konsequent sozialdemokratisierten "Neuen Linken", wird spätestens nach 2009 eine zweite sozialdemokratische Partei im Wettbewerb zur alten Tante SPD stehen. Die SPD kann sich nur dann noch als linke Kraft behaupten, wenn sie es denn überhaupt will, wenn sie erkennbar zurück zu ihren Wurzeln von Bebel und Brandt findet und den neoliberalen Glaubenssätzen abschwört oder sie entwickelt sich weiter zum prinzipienlosen Mehrheitsbeschaffer der CDU. (hier ein bisschen Sozialabbau und Rentenkürzungen, dort ein paar Steuergeschenke für die armen Konzerne)
In Sachsen wird der neue Wettbewerb umso schwieriger, je weniger sozial konturiert die SPD im Bewußtsein der Wähler ist und je mehr sie auf die Rolle eines CDU-Helfers reduziert werden kann.
Vorschlag für einen Kurswechsel
Wir füllen nicht weiter den Unternehmen die Sparbücher und hören damit auf, den kleinen Leuten die Taschen zu leeren. Wir nehmen die Rente mit 67 wieder zurück, die Mehrwertsteuererhöhung und die mißratenen Hartz- Renten- und Gesundheitsreformen, stornieren die Steuergeschenke für die Wirtschaft, führen konsequent Millionärssteuer und vernünftige Erbschaftssteuer für die Reichen und Superreichen ein.
Kurz gesagt, wir entschliessen uns, keine Politik mehr gegen Arbeitslose, Arbeitnehmer und Rentner zu machen und setzen den gesetzlichen Mindestlohn durch. Wenn wir uns dann nicht mehr unmittelbar oder mittelbar an weltweiten Kriegseinsätzen und Menschenrechtsverletzungen der USA beteiligen, haben wir viel Geld über für unser Sozial- Gesundheits- und Bildungssystem.
Dann gewinnen wir wieder Wähler und Mitglieder - das wäre doch was - und wir graben der "Neuen Linken" das sozialdemokratische Wasser ab, denn das Original ist immer besser als die Kopie ...
Wir könnten auch, wie bisher, weiter arbeiten am politischen Selbstmord aus Angst vor dem Tode.
gez. Karl Nolle, MdL