Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.07.2007
Landtag streitet heftig über Aufklärung
Die Koalition lässt den Untersuchungsausschuss zunächst scheitern. Dafür geht Regierungschef Milbradt in die Offensive.
Der Untersuchungsausschuss kommt – aber erst im zweiten Anlauf. Nach einem fast vierstündigen heftigen Schlagabtausch ist die Einsetzung des Aufklärungsgremiums zur Akten-Affäre gestern im Parlament zunächst am Widerstand der Regierungskoalition gescheitert.
CDU und SPD hatten zuvor erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. „Durch die Bank“ sei der Beschlusstext verfassungswidrig, monierte CDU-Fraktionschef Fritz Hähle und attackierte scharf die alte „SED-Klassenjustiz“ der Linksfraktion. So seien im Einsetzungsbeschluss unzulässige Wertungen und Unterstellungen enthalten – kurz: Das komme einer Vorverurteilung gleich. Gegen die Stimmen der Opposition überwies die Koalition damit die Frage zunächst in den Verfassungs- und Rechtsausschuss.
Das Fazit: Der Verfassungs- und Rechtsausschuss muss heute in einer Sondersitzung versuchen, die Bedenken gegen den Auftrag des Ausschusses zu zerstreuen. Kommt es zu einer Einigung, könnte der Landtag dann in einer Sondersitzung noch im Juli grünes Licht für den Untersuchungsausschuss geben. Dennoch reagierten Linksfraktion, Grüne und FDP empört über die Verschiebung. „Es werde der Regierung nicht gelingen, die parlamentarische Aufklärung durch Geschäftsordnungstricks zu verzögern“, warnte der designierte Linksfraktionschef André Hahn scharf. Er werde nicht zulassen, dass der Untersuchungsauftrag zur Klärung „eines der größten Skandale nach der Wende“ durch die Koalition verwässert werde. SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss versicherte, dass die Koalition die Einsetzung eines verfassungsgemäß eingesetzten Ausschusses nicht behindern werde. FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens wies das Vorgehen dennoch als „grob unredlich“ zurück.
Milbradt gegen Vorverurteilung
Die Flucht nach vorn trat dafür gestern Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) an. Erstmals seit Beginn der Akten-Affäre vor nunmehr sechs Wochen nahm der Regierungschef öffentlich ausführlich Stellung zu den Vorwürfen über mögliche Verstrickungen von Justiz und Polizei in kriminelle Netzwerke. Zornig machte er sich lautstark Luft: Eine pauschale Verurteilung von Justiz und Polizei sei ungerechtfertigt. Polizei und Justiz im Freistaat seien sauber.
Die „schuldhafte Missachtung nachrichtendienstlicher Grundsätze“ beim Landesamt für Verfassungsschutz sei unbestreitbar, räumte er ein. Es habe ein „unkontrolliertes Zusammenspiel“ zwischen einer Mitarbeiterin des Amtes und einem Polizisten gegeben, lautete Milbradts Fehlerdiagnose. Auch die CDU wolle die Angelegenheit so schnell wie möglich aufklären. „Es gibt überhaupt kein Indiz dafür, dass irgendetwas vertuscht wurde“, so Milbradt.
Von Annette Binninger