Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 06.07.2007
Streit um Untersuchungsausschuss
Frühestens am 19. Juli will der Landtag über ein Aufklärungsgremium entscheiden.
Die Fronten sind verhärtet im Streit um den Untersuchungsausschuss zur Korruptions-Affäre. Nur an einer kleinen, entscheidenden Stelle, ausgerechnet im Regierungslager, begann die Mauer gestern erheblich zu bröckeln: Die SPD scherte unter dem massiven öffentlichen Druck, die Affäre schnellstens aufzuklären, deutlich aus der Koalitions-Disziplin aus. „Das machen wir nicht mit“, zischte SPD-Fraktionsvize Martin Dulig wütend über die weitere Verzögerung des Aufklärungsgremiums. Da hatte sich der Rechtsausschuss gerade nach stundenlanger Beratung ergebnislos getrennt und in die Abendstunden vertagt. Aber auch diesmal endete der Streit um den Text-Entwurf ohne einen Kompromiss. Vor allem die CDU bleibt hart bei ihren verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschuss-Antrag von Linksfraktion, FDP und Grünen.
Und die drei Oppositionsparteien sind nicht bereit, auf Änderungswünsche der Regierungsparteien einzugehen. Und die SPD hegt offensichtlich gegen ihren Regierungspartner CDU deutliches Misstrauen. Die Union könnte an einer Verhinderung des Untersuchungsausschusses mehr interessiert sein als an einem rechtlich einwandfreien Einsetzungsbeschluss, hieß es in höchsten SPD-Kreisen. Und so teilte SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss seinem Koalitions-Kollegen Fritz Hähle (CDU) auch in warnender Form am Rande des Plenums mit, dass die SPD diesen Kurs nicht mittrage.
Hinter den Kulissen hatte sich die SPD zuvor noch mit der Opposition um eine Einigung bemüht. Doch vergeblich: Am Abend beschloss der Rechtsausschuss mit den Stimmen der CDU-Mehrheit, den Juristischen Dienst des Landtags zunächst mit einem Gutachten zu beauftragen. Das soll nun bis spätestens 11. Juli vorliegen. Dann will das Gremium erneut beraten. In einer Sondersitzung des Landtags am 19.Juli könnte dann der Untersuchungsausschuss frühestens eingesetzt werden – wenn es bis dahin zu einer Einigung gekommen ist.
Unterdessen wird die Tonlage im Landtag immer schärfer. Rechtsanwalt Klaus Bartl (Linksfraktion) beschimpfte gestern den neuen Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, Rainer Boos, als „kriminellen Präsidenten“. Boos habe der Öffentlichkeit den Namen eines Informanten preisgegeben und müsse darum des Amtes enthoben werden, forderte Bartl. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) wies die Angriffe auf Verfassungsschutz und Justiz umgehend scharf zurück. Ein „Generalverdacht“ sei völlig unangebracht. Die Staatsanwaltschaft werde sich zu derzeit laufenden Ermittlungen erst äußern, wenn diese abgeschlossen seien. Ein Antrag der Linksfraktion, Mackenroth und Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) für ihr Verhalten in der Akten-Affäre förmlich zu missbilligen, fand jedoch keine Mehrheit. Dafür attackierte Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau Regierungschef Milbradt. „Ihnen würde ich gerne eine Missbilligung aussprechen. Aber die Missbilligung, die hier verlangt wird, hat die Öffentlichkeit ihnen längst ausgesprochen.“
Unterdessen legte ausgerechnet Enthüllungsautor Jürgen Roth gestern in einem Interview eine Spur, wie Teile der Verfassungsschutz-Akten an die Öffentlichkeit gelangt sein könnten: Er habe sie an einen Landtagsabgeordneten der Linksfraktion gegeben, sagte Roth.
Von Annette Binninger