Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 06.07.2007
Akute Verstimmung zwischen Schwarz-Rot
Sachsens Koalitionsstreit um geplanten Untersuchungsausschuss zur Organisierten Kriminalität
Dresden. Es vergeht kaum ein Tag in Dresden ohne Neuigkeiten in der Korruptionsaffäre – und an dem die Lage nicht weiter eskaliert. So auch gestern: Lange Zeit ging es halbwegs ruhig zu im Landtag, es gab höchstens mal ein paar scharfe Worte hier, einige böse Blicke dort. Dann aber überschlugen sich die Ereignisse. Mitten in der Auseinandersetzung zur von der Linken beantragten Missbilligung der beiden CDU-Minister Albrecht Buttolo (Innen) und Geert Mackenroth (Justiz) erschien Regierungschef Georg Milbradt (CDU) persönlich im Saal. Parallel dazu tagten Grüppchen im Foyer, steckten Politiker der CDU/SPD-Koalition ihre Köpfe zusammen – Aufgeregtheit pur. Im Regierungsbündnis hing mal wieder der Haussegen schief.
Grund für die erneute Eskalation war weniger die geplante Missbilligung selbst, die eher Politfolklore war und ohne Chancen auf Erfolg. Es ging vielmehr um den von Linken, FDP und Grünen geforderten Untersuchungsausschuss zur Affäre. Eben hier gibt es heftigen Streit, nicht zuletzt auch zwischen einzelnen Sozialdemokraten und Milbradt. So hatte nicht zuletzt die SPD-Spitze um Thomas Jurk betont, sie wolle sich „nicht in Mithaftung nehmen“ lassen beim Umgang mit der Affäre, ein Untersuchungsausschuss werde kommen – so oder so.
Milbradt dagegen hatte sich vor wenigen Tagen erstmals eingeschaltet und – Stichwort „Klamauk“ – eine schärfere Gangart vorgegeben. Dabei meldet die Union verfassungsrechtliche Bedenken an, halbherzig unterstützt von der SPD. Der Eindruck, der sich dabei durchsetzt, lautet: Die Koalition wolle den Ausschuss ein wenig nach hinten verschieben, gegen das verbriefte Minderheitenrecht der Opposition. Hier aber hat sich die SPD mittlerweile erkennbar von der Koalitionslinie abgewendet, nicht zuletzt wegen des Drucks von der eigenen Basis. Gestern nun drohte sie offen damit, zur Not auch mit der Opposition für den Kontrollausschuss stimmen zu wollen.
Damit droht das Tauziehen um den Umgang mit den Verfassungsschutzakten zur Organisierten Kriminalität (OK) erneut zur akuten Verstimmung in der Koalition zu werden. Denn klar ist: Milbradt, der im September als CDU-Landeschef wiedergewählt werden will, dürfte kaum bereit sein, die SPD-Haltung zu tolerieren. Jurk dagegen sagte gestern, die Probleme seien lösbar. „Ärgerlich“ aber werde er, „wenn der Koalitionspartner meint, die Sache um die Ecke biegen zu können“. Im Klartext: Wenn Milbradt versuchen sollte, den Ausschuss auf kaltem Wege auszubremsen, sei Schluss.
Am Nachmittag hatte sich der Rechtsausschuss über die Zulässigkeit des Untersuchungsauftrages zerstritten. Im Zentrum stand die Suche nach einem Formelkompromiss: Während die CDU-Spitze auf einer Vorab-Prüfung besteht, verhandelte die SPD parallel mit der Opposition. Am Abend setzte sich dann die CDU durch: Bis kommenden Mittwochmittag soll ein Rechtsgutachten des juristischen Dienstes vorliegen, am Freitag dann der Rechtsausschuss erneut tagen. „Eine Verständigung mit der Opposition ist leider nicht zustande gekommen“, räumte SPD-Politiker Enrico Bräunig ein. Er gehe aber davon, dass in einer Landtags-Sondersitzung am 19. Juli der Untersuchungsausschuss eingesetzt wird. „Auch wir haben ein Interesse daran, dass er noch vor der Sommerpause die Arbeit aufnimmt.“
Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke