Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 09.07.2007
Der Leuchtturmwärter geht
Als Wirtschaftsminister hat Kajo Schommer viel für Sachsen erreicht – bis zuletzt musste er sich gegen Vorwürfe wehren.
Kajo Schommer ist tot. Mit ihm verliert der Freistaat einen seiner markantesten Politiker der Nachwendezeit, einen ebenso streitbaren wie umstrittenen Zeitgenossen – verehrt und gehasst, als Wirtschaftsgenie geschätzt und als Schaumschläger belächelt.
Nach den Landtagswahlen 1990 in Ostdeutschland holte ihn der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf als Wirtschaftsminister nach Sachsen. „Der Freistaat, in dem wir heute leben, trägt Kajo Schommers Handschrift“, sagt Dirk Panter, SPD-Landesgeschäftsführer. Der politische Gegner anerkennt vor allem Schommers Ansiedlungserfolge in der Mikroelektronik und in der Autoindustrie. Infineon, AMD, VW, Porsche und BMW brachten – mit Steuermillionen bezuschusst – Tausende neue Jobs nach Sachsen.
Biedenkopfs „Leuchtturm-Politik“ wurde auch zur Grundlage seines Ziehkindes – nicht immer zur Freude der einheimischen Betriebe. „Leuchtturmpolitik ist Mittelstandspolitik“, hielt Schommer gegen. Der unverbesserliche Optimist gefiel sich in der Rolle als Leuchtturmwärter und wusste, mit den Erfolgen zu wuchern. An Selbstbewusstsein fehlte es ihm nicht.
„Ich wüsste keinen richtigen Flopp“, bilanzierte er bei seinem Abschied. Kritiker kennen einige: von dem Millionengrab Rollende Landstraße, der ignorierten Lkw-Alternative auf der Schiene, bis zum Subventionsbetrug bei der Werkstoffunion Lippendorf, der mit juristischem Nachspiel und einer Pleite endete. Und Jobs kostete.
Unterm Strich bleibt aber ein Plus. Mit Schommer rangierte Sachsen dauerhaft als ostdeutsche Nummer eins bei den Investitionen, und im Schatten der Leuchttürme entwickelten sich auch zarte Pflänzchen. Dank Schommers Sanierungs- und Förderprojekten wie „Atlas“, „Zeus“ und „Herkules“ konnten von der Treuhand totgesagte DDR-Betriebe überleben. Für andere Ideen, wie der Fall des Ladenschlusses, ernteten erst seine Nachfolger die Lorbeeren.
Schommer galt als liberal. „So wenig Staat wie nötig“, lautete die Devise. Er war gegen den besonderen Schutz deutscher Handwerksmeister und nannte den Mindestlohn am Bau „Teufelszeug“. Und doch hatte der Katholik und Hobby-Pianist eine soziale Ader. So führte er das Vermächtnis seiner 2003 verstorbenen Ehefrau Gabriele fort und engagierte sich für den Kinderschutzbund und dessen Kinderhaus in Ullersdorf bei Dresden, seinem Wohnort. Schommer war überzeugter Wahl-Sachse.
Nach seiner Ministerkarriere wollte er ruhiger treten – als Honorarprofessor an der Technischen Universität in Chemnitz. Doch die Vergangenheit als Minister holte ihn ein: Er geriet ins Visier der Justiz. Hintergrund war ein vermuteter Spendendeal der Sachsen-CDU mit dem Zwickauer Automobilzulieferer Sachsenring AG (Kasten).
Vor wenigen Tagen und den Tod vor Augen, erklärte Schommer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe für „haltlos“. „Die Staatsanwaltschaft hat einen Unschuldigen verfolgt“, sagte er. Anwalt Stefan Heinemann will um eine posthume Rehabilitierung seines Mandanten kämpfen.
Von Michael Rothe