Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 11.07.2007
„Andere Mehrheiten sind möglich“
André Hahn, neuer Chef der Linksfraktion, plädiert im Interview für eine Mehrparteien-Regierung ohne die CDU.
Herr Hahn, Sie sind mit 86 Prozent der Stimmen als Fraktionschef gewählt worden und sprechen selbst von Erleichterung. Was hatten Sie denn befürchtet?
Erleichtert bin ich darüber, dass wir nun einen seit Oktober 2006 laufenden Prozess erfolgreich beendet haben. Damals hat mein Vorgänger Peter Porsch erklärt, nicht wieder zu kandidieren. Die folgenden Monate der Diskussion, wer es denn nun wird, hat meine Fraktion ein Stück weit gelähmt. Jetzt ist diese Übergangszeit vorbei, ohne dass es bei uns öffentlichen Hickhack gegeben hätte, und ich werde nun allein an dem gemessen, was ich leiste oder auch nicht leiste.
Die CDU hat Sie heute aufgefordert, im neuen Amt die Rolle des „Wadenbeißers“ abzulegen und zur Sachlichkeit umzuschwenken. Werden Sie dem folgen?
Ich lasse mir von der CDU keine Vorschriften machen. Schon als Fraktionsgeschäftsführer habe ich die Ebene der Sachlichkeit nie verlassen, lediglich hin und wieder etwas drastisch formuliert. Doch ich habe manchmal den Eindruck, die CDU versteht nichts anderes. Von daher werde ich auch künftig scharf argumentieren, wenn dies erforderlich ist.
Ihre Nachfolgerin als Geschäftsführerin, Caren Lay, konnte sich nur denkbar knapp durchsetzen. Offenbar gibt es zwei Lager in der Linksfraktion. Wie wollen Sie diese zusammenbringen?
Es ist legitim, dass sich mehrere Leute um ein Amt bewerben. Ich habe nie verstanden, dass daraus in der Öffentlichkeit ein Richtungsstreit gemacht wurde. Ich sehe jedenfalls keine gespaltene Fraktion.
Reden Sie die Situation jetzt nicht etwas schön?
Davon kann keine Rede sein. Wir haben eindeutige Mehrheiten für alle Vorstandsmitglieder, und dass es bei Kampfkandidaturen nur einen Sieger gibt, ist ganz normal.
Frau Lay gilt vielen in der Linkspartei als potenzielle Nachfolgerin für den Fraktionsvorsitz. Fühlen Sie sich als Chef auf Abruf? Wer wird 2009 Spitzenkandidat?
Ich bin kein Vorsitzender für den Übergang. Ich möchte die Fraktion über die Landtagswahl 2009 hinaus führen. Über die Spitzenkandidatur wird die Partei im Sommer 2008 entscheiden, dem kann und will ich nicht vorgreifen. Eines ist aber klar: Wer sich als Fraktionschef zur Wahl stellt, muss grundsätzlich auch bereit sein, als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen.
Die Linke stellt die größte Oppositionsfraktion, hat aber Probleme, sich öffentlich zu präsentieren. Wird jetzt alles besser?
Mein Ziel ist es, dass die Fraktion einen neuen Aufbruch schafft. Nicht, was politische Inhalte, sondern was unsere öffentliche Wahrnehmung betrifft. Das hat ausdrücklich nichts mit unserem bisherigen Fraktionschef Peter Porsch zu tun, hier sind alle Abgeordneten gefordert. Der gemeinsame Erfolg muss Vorrang haben vor der individuellen Profilierung einzelner.
Für die Zeit nach der Landtagswahl 2009 legen Sie jetzt ein neues Konzept vor: eine Mehrparteienregierung ohne die CDU. Wie realistisch ist das?
Eine erneute absolute CDU-Mehrheit oder die Fortführung der CDU-SPD-Koalition bedeuten nur weitere Jahre des Stillstands. Wir machen der SPD, den Grünen und der FDP deshalb ein Alternativangebot für ein Regierungsbündnis ohne die Christdemokraten. Ich bin überzeugt, dass wir mit einem solchen Modell gemeinsam viele schwelende Probleme in diesem Land lösen könnten, zum Beispiel in der Bildungspolitik. Es ist höchste Zeit, dass wir in Sachen Mehrheitsbildung Denkblockaden überwinden.
Das Gespräch führte Gunnar Saft