Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 28.08.2007
Der Scherbenhaufen
Dresden. Am Tag Eins nach dem spektakulären Notverkauf der Landesbank ging es gestern im politischen Dresden nur um eines – die erste Bilanz nach dem finanzpolitischen Scherbenhaufen des Bankendramas. Immerhin war mit der SachsenLB eins der einstigen Vorzeigeprojekte von Regierungschef Georg Milbradt (CDU) quasi über Nacht an die baden-württembergische LBBW verkauft worden, um noch größere Schäden abzuwenden.
Nun eilten Milbradt und sein Finanzminister Horst Metz (CDU) von Sondersitzung zu Sondersitzung, um ihren Deal vom Wochenende den Fraktionen von CDU und SPD wie auch der Presse zu erläutern. Doch die Oppositionsfraktionen, die sich am Sonntag noch staatsmännisch bedeckt gehalten hatten, sparten nicht länger mit Kritik. Allen voran der Fraktionschef der Linken, André Hahn, der offen Milbradts Rücktritt forderte. Milbradt habe eine „größenwahnsinnige Strategie“ gefahren und die Öffentlichkeit getäuscht, nun gehe es nicht mehr nur um Bauernopfer. Hahn: „Die Verantwortung liegt an der Spitze.“
Die FDP wollte sich der Forderung nicht anschließen, auch wenn ihr Fraktionschef Holger Zastrow „einen der schwärzesten Tage in der Geschichte des Freistaates Sachsen“ erlebte. Der Patient habe zwar überlebt, so Zastrow, doch die Schäden seien nicht mehr heilbar. Der Arbeitsauftrag des Untersuchungsausschusses zur SachsenLB müsse nun erweitert werden. Das wollen auch die Grünen, deren Fraktionschefin Antje Hermenau klarstellte: „Ich halte mehr davon, gründlich Fehler zu korrigieren, als symbolhaft Köpfe abzuschlagen.“
Milbradt selbst bemühte sich am Mittag, heiter zu wirken. Wenn die Bank krachen gegangen wäre, beschied er Journalisten, „hätten sie mich doch zum Teufel gejagt“. Fehler räumte er dennoch ein: „Natürlich haben wir eine derbe Klatsche bekommen“, doch die Regierung habe ein völliges Scheitern der Bank verhindert. „Schlecht geschlafen“, so Milbradt, habe er vor allem in den Tagen zuvor – seit er von der Krise wusste.
Heftige Schelte verteilte der Regierungschef dafür gegen den Bank-Vorstand, der nicht mehr handlungsfähig gewesen sei. Die Botschaft war klar: Die Politik habe ihre Handlungsfähigkeit bewiesen, jetzt müsse nach vorn geschaut werden. Rufe nach Verantwortlichkeiten – etwa wer dem Vorstand die Freiheiten für Geschäfte mit gigantischen Risiken eingeräumt habe – seien „historisch“ und würden nichts mehr nützen. Risiken gebe es immer im Bankgeschäft, für die Aufsichtsgremien seien die Probleme nicht vorhersehbar gewesen und nachher sei man immer schlauer.
Mit Blick auf den Bank-Vorstand verteilte Milbradt noch Lorbeeren für Finanzminister Metz. Nur in dessen Ministerium hätten die Profis gesessen. Der so Gewürdigte bezeichnete sich sogleich als „krisenfest“. Anlass zum Rücktritt sieht er nicht. Auch bohrenden Fragen nach weiteren Risiken für den Freistaat wich Milbradt aus – wie zuvor schon in der CDU-Fraktion, wo die Abgeordneten ebenfalls gern mehr erfahren hätten.
So sah Milbradt bei seinen Parteifreunden vor allem in betretene Gesichter. Viele Wünsche im Hinblick auf die Bank seien nicht in Erfüllung gegangen, sagt ein Abgeordneter. „Dafür konnte man keinen stürmischen Beifall erwarten.“ Ex-Minister Heinz Eggert beschrieb die kritische Stimmung so: „Wir wollten als Sachsen unsere Geldgeschäfte selbst besorgen. Wir wussten aber auch, dass Sachsen zu klein ist, um hier Geld zu verdienen und waren uns der berechenbaren Risiken bewusst. Nun wird zu klären sein, wer das gewaltige Risikoloch zu verantworten hat.“
Nicht ohne Ärger verlief der Tag auch in der schwarz-roten Koalition. Zwar dankte Milbradt der SPD für die „Solidarität in der Regierung“. Doch deren General Dirk Panter goss Wasser in den Wein. Die SPD sei „entsetzt über das Missmanagement“, nun müsse auch die politische Verantwortung klar benannt werden, stichelte Panter in Richtung Milbradt. Vize-Fraktionschef Stefan Brangs wurde im Gespräch mit dieser Zeitung noch deutlicher: „Die CDU muss sich klar darüber werden, ob sie den Finanzminister noch für tragbar hält.“ Schließlich besetze sie das Thema Finanzen in der Koalition.
Das wollte CDU-Haushälter Matthias Rößler jedoch nicht auf sich sitzen lassen, schließlich sei die SPD in die Gremien der Bank als Minister, Oberbürgermeister und Abgeordnete ebenfalls längst eingebunden. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, so Rößler. Doch die SPD sah sich bis vor wenigen Tagen im Unklaren gelassen und schoss zurück: „Wer auf einem Scherbenhaufen sitzt“, so Panter, „sollte nicht noch die Schuhe ausziehen.“
Der SPD-Finanzexperte und Landtagsabgeordnete Karl Nolle legte noch nach. Ziel seiner Kritik: Der Präsident des ostdeutschen Sparkassenverbandes und Delitzscher Landrat Michael Czupalla (CDU), der auch im Verwaltungsrat der SachsenLB sitzt. „Diejenigen, die in den Aufsichtsgremien sitzen, müssen immer die Verantwortung übernehmen, sie tragen ja die Verantwortung. Landrat Czupalla war jedenfalls bei der gesamten Angelegenheit eine treibende Kraft und kann jetzt nicht den Ahnungslosen spielen.“ Es habe auch Sparkassen gegeben, so Nolle weiter, „die gesagt haben, dieses Harakiri in Dublin machen wir nicht mit. Und es gibt welche, die gewinngeil waren. Delitzsch gehört dazu.“
Von INGOLF PLEIL, SVEN HEITKAMP und KRISTIAN TEETZ