Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 10.09.2007
Trophäensammler - Nolles Rücksichtslosigkeit erschreckt selbst die eigene Partei
Kommentar von Hubert Kemper
Die Szene wäre arm, würde es sie nicht geben: Einzelkämpfer wie Karl Nolle sind für die politische Hygiene im Land ebenso unentbehrlich wie Journalisten, die
Missstände anprangern und abzustellen helfen. Nolle hat in Sachsen die Rolle eines „Aufklärers" übernommen. Der Sturz Kurt Biedenkopfs war maßgeblich sein Werk. Die Ablösung der Ex-Sozialministerin Christine Weber, die vorzeitige Verabschiedung eines Landespolizeipräsidenten und einer kompletten Vorstandsmannschaft der Landesbank darf er ebenso seinem Konto gutschreiben. Jüngste Trophäe seines Jagdtriebs ist der „Abschuss" von Finanzminister Horst Metz.
Zur Verantwortung eines guten Jägers zählt auch die Hege. Auf diesem Feld schwächelt der politische Revierförster Nolle erheblich. Nachdem er mit Kurt Biedenkopf einen kapitalen Platzhirschen erlegt hatte, schießt er sich nun auf dessen Nachfolger Georg Milbradt ein. Das Opfer ist nach der Pleite der Landesbank bereits schwer getroffen, nun will Nolle den Fangschuss folgen lassen. Auf seinem Hochsitz interessieren den gnadenlosen Waidmann weder die Genauigkeit der abgefeuerten Kugeln noch die Frage nach der Schonzeit.
Milbradt, der gehetzte Ministerpräsident, ist Opfer von drei taktischen Versäumnissen. Zum einen hätte er früher Nolles Hinweise auf ,,dunkle Löcher" in der Landesbank ernst nehmen sollen. Und er hätte nach dem Kollaps auch sein persönliches Bedauern zum Ausdruck bringen können. Schließlich wäre Milbradt gut beraten gewesen, den „freien Radikalen" in die Koalition einzubinden. Stattdessen verbot er selbst der SPD, Nolle wichtige Posten anzutragen.
Fachkompetenz, gepaart mit Medien-Vernetzung sind in der heutigen Politikszene selten. Nolle, der Unternehmer mit linksradikalen Ansätzen, bezieht seine mediale Wirkung aus dieser Kombination. Weil ihm Schlagzeilen wichtiger sind als Disziplin ist er für seine SPD eine Zumutung, für eine Koalition ist er nahezu unerträglich. Den Versuch, dieses Unikum einzubinden, hat Milbradt erst gar nicht gewagt. Die Folgen spürt er heute umso bitterer.
Nolle rächt sich auf seine Weise. Er behauptet nicht, Milbradt habe Detailkenntnisse von den Risiken der Landesbank gehabt Er unterstellt, es müsse so gewesen sein. Das kann stimmen, ist aber nicht bewiesen. Also schießt er mit Schrot. Das Opfer blutet, die Szene bleibt verunsichert. Das zweite Gesicht des „Aufklärers" Nolle beängstigt – nicht nur die SPD.