Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 14.09.2007

SPD-Fraktionschef wirft aus Frust über den Partner CDU das Handtuch

 
Dresden. Vom Berufsbild Politiker war Cornelius Weiss auch als SPD-Fraktionschef in Sachsen nie so richtig überzeugt. „Ich bin Naturwissenschaftler. Ich gehe niemals Spekulationen nach“, sagt der 74-Jährige auf die Frage, welche Chancen die Sozialdemokraten bei der nächsten Landtagswahl im Freistaat haben. Derzeit bekommen sie in Umfragen nur um die 10 Prozent der Stimmen. Aus Frust über den Kurs des Koalitionspartners wirft Weiss am 21. September nun das Handtuch.
Überraschend kam der Rücktritt nicht. Schon bei seiner Wiederwahl Anfang 2007 hatte Weiss einen vorzeitigen Abgang binnen Jahresfrist angekündigt. Zuvor war bei der SPD umstritten, ob die neuerliche Wahl des Polit-Rentners richtige Zukunftssignale setze. Doch der frühere Rektor der Leipziger Universität schien mit seinen analytischen und rhetorischen Fähigkeiten unabkömmlich. Wenn der Chemieprofessor im Landtag ans Mikrofon trat, blubberten keine Sprechblasen.

Der gebürtige Berliner Weiss studierte in den 1950-er Jahren in der damaligen Sowjetunion und in Leipzig Chemie. Nach der Promotion folgte 1972 die Habilitation. Von 1991 an war er Rektor der Uni Leipzig. Den Posten behielt er bis 1997. Damals endete auch sein parteiloses Leben. Weiss trat der SPD bei, die dringend nach einem anerkannten Hochschulexperten suchte. 1999 gelangte der Professor in den Landtag, seit 2004 war er Fraktionschef.

„Ich hatte von Anfang an geplant, ein geordnetes Haus zu übergeben. Es gab nur Streit um den Zeitpunkt. Dennoch: Es geht nicht mehr anders“, begründete Weiss seinen Rückzug. Wie gut das Haus schon aufgeräumt ist, wird sich zeigen. Die SPD steht planmäßig bis Herbst 2009 als Juniorpartner der CDU in der Plicht. Mehrere Krisen haben das Verhältnis der Partner zugespitzt. Koalitionen sind keine Liebesheirat, machten beide Seiten wiederholt deutlich.

Für Weiss ist die Zweckehe nun zum Albtraum geworden. In klaren Worten macht er Regierungschef Georg Milbradt (CDU) als politischen Ehebrecher verantwortlich. Schon im Sommer wurde das Zerwürfnis klar. Weiss wirft Milbradt heute vor, sich unzulässig in die Verhandlungen ums Hochschulgesetz eingemischt zu haben. Am Ende ließ gar die eigene Fraktion Weiss im Regen stehen. Sie stimmte für einen Kompromiss, bei dem ihr Chef sozialdemokratische Glaubensgrundsätze verletzt sieht.

Warum am Ende die Chemie zwischen Weiss und Milbradt nicht mehr stimmte, bleibt unklar. Dass manche SPD-ler sich leichter an die CDU anpassen können, hält der 74-Jährige nicht unbedingt für einen Generationenkonflikt. „Möglicherweise erfordern andere Zeiten andere Verhaltensweisen.“

Als bitterste Stunde im Parlament bleibt Cornelius Weiss der Einzug der NPD im Herbst 2004 im Gedächtnis. Aber auch seine größte Sternstunde hat mit den Rechtsextremen zu tun. Zum 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens hielt er im Januar 2005 eine vielbeachtete Rede im Parlament. Nun will Weiss seine Arbeit in der Fraktion weiterführen und seine Kollegen entlasten.
Jörg Schurig, dpa