Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 23.10.2007
Der Strippenzieher
Biedenkopf-Mann Sagurna soll Milbradt aus der Krise führen
Dresden. Das Eckzimmer mit den hohen Fenstern sieht etwas garstig aus. Keine Gardinen, keine Bilder, kaum Möbel – so präsentiert sich derzeit der Arbeitsraum von jenem Mann, der Sachsens Regierung aus der Krise führen soll. Hinten am Schreibtisch sitzt er dann, Michael Sagurna (CDU), 52 Jahre alt, Ex-Regierungssprecher von Altministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) und jetzt, unter dessen Intimfeind Georg Milbradt (CDU), Zentralfigur in der Staatskanzlei. Für dreieinhalb Wochen firmiert er dort offiziell als Staatssekretär, ab 7. November wird er zum Minister ernannt – und damit zum Nachfolger von Hermann Winkler (CDU).
Eben dies ist der Grund für das spärliche Ambiente. Das leer geräumte Zimmer stammt von Staatssekretärin Andrea Fischer (CDU), die ins Innenministerium gewechselt ist. Für Sagurna ist es nur eine Durchgangsstation. Was aber auch in seinem neuen Domizil ein Stockwerk höher als Minister bleiben dürfte, sind die dicken Ordner mit Akten und Papieren. Genau so definiert sich der Medienprofi im neuen Amt. „Mein Platz ist der Schreibtisch“, sagt Sagurna. Er interpretiere den Job anders als Winkler, der als Redner permanent auf Achse war.
Sagurna, der erfahrene und gut vernetzte Strippenzieher, sieht sich als Steuermann im Regierungsgeschäft. Für Milbradt fungiert er als Koordinator, Moderator – und als eine Art Feuerwehr, die zur Stelle ist, bevor der Brand außer Kontrolle gerät. Das war am vergangenen Mittwoch bereits erkennbar. Es war der dritte Arbeitstag von Sagurna in der Staatskanzlei, und Milbradt lud, ganz wider sein bisheriges Vorgehen, zum wohltemperierten Gespräch mit Gegnern der Dresdner Waldschlösschenbrücke. Zwar blieb Milbradt in der Sache hart, das Signal aber ist ein anderes: Der spröde Chef zeigt sich gesprächsbereit, ein Stück gefühlter Kompromiss und Ausdruck für das, was CDU-intern als „neuer Stil“ beschrieben wird.
Dafür steht Sagurna. In Paderborn geboren, arbeitete er als Radioreporter sowie als Wahlkämpfer für Altkanzler Helmut Kohl. 1991 holte ihn Biedenkopf nach Sachsen. Hier hat der kühle Stratege mit Erfolg die Politik von König Kurt verkauft. In den Endtagen Biedenkopfs 2001/02, als Milbradt zur Palastrevolte auf die Staatskanzlei blies, hat aber auch Sagurna nicht mehr viel bewirken können. Die guten Kontakte aber behielt er auch nach seinem Abtritt vor fünfeinhalb Jahren, zu Kultusminister Steffen Flath zum Beispiel, oder auch zu Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (beide CDU).
Jetzt soll Sagurna die Regierung Milbradt stabilisieren, weil Sachsens CDU beschlossen hat, es zunächst nochmal mit diesem zu versuchen. Das ist Sagurnas Credo: keine Grabenkämpfe mehr, nicht zwischen CDU und SPD in der Regierung, und zwischen dem CDU-internen Biedenkopf- und Milbradt-Lager schon gar nicht. So ist es kein Zufall, dass er immer wieder Sätze sagt, die das Verbindende betonen. Der bizarr-schönste davon lautet: „Auch Milbradt ist ein Biedenkopf-Mann.“
von Jürgen Kochinke