Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 13.11.2007
Ein Sachse für Sachsen? Rößler spaltet CDU
Ex-Minister in Kritik: Attacke auf Milbradt und de Maizière löst Widerspruch aus / Grünen-Fraktionschefin Hermenau lästert
Dresden. In der CDU rumort es mal wieder. Ging es vor kurzem noch um das Landesbank-Debakel, um die Aktenaffäre und die Kabinettsumbildung, so hat die Sachsen-Union jetzt ein neues Thema für sich entdeckt: das landsmannschaftliche Element oder das, was man dafür hält. Auslöser ist Matthias Rößler, einst Kultus- und dann Wissenschaftsminister, jetzt nur noch „einfacher“ Abgeordneter. Der hat sich dafür stark gemacht, dass in Zukunft ein Sachse das Land führen sollte (diese Zeitung berichtete). „Wir brauchen eine Politik in, für und von Sachsen, auch an der Spitze,“ meint Rößler. „Die Regierenden sollten aus der Mitte der Sachsen kommen“.
Damit trifft der von seinem Parteifreund und Regierungschef Georg Milbradt entmachtete Ex-Minister eine Stimmung, die in der CDU durchaus anzutreffen ist –in Partei wie Landtagsfraktion. Vor allem aber trifft er zwei Unionschristen, die als erste auftauchen, wenn es um politische Spitzenkräfte aus Sachsen geht: Milbradt selbst, aber auch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Beide wohnen in Dresden und haben tiefe Spuren hinterlassen in der Landespolitik, beide kommen aber aus dem Westen.
Hier genau dürfte der Hintersinn des Einsatzes von Rößler liegen. Er spaltet damit die Union und will ganz offensichtlich nicht nur Milbradt ein wenig demontieren, der wegen des Notverkaufs der Landesbank eh schon angeschlagen ist; er will auch de Maizière verhindern. Denn seit langem wird die rechte Hand von Kanzlerin Angela Merkel als möglicher Nachfolger von Milbradt gehandelt, neben Kultusminister Steffen Flath (CDU). Dabei geht die Rechnung so: Sollte de Maizière Regierungschef in Sachsen werden, würde Flath Fraktionschef. Auf genau diesen Job aber hat Rößler selbst ein Auge geworfen. Also liegt es in seinem Interesse, dass Flath Regierungschef wird – wobei die Ossi-Wessi-Debatte hilfreich ist. Denn im Gegensatz zu de Maizière und Milbradt stammt Flath aus dem Erzgebirge.
Das kommt nicht bei allen gut an in der CDU. Rößlers „Wortbeitrag zur Unzeit“ sei schlicht „Stinkstiefelei“, heißt es in der Fraktion, der Ex-Minister präsentiere sich als eine Art „Nolle light“. Damit ist der SPD-Mann Karl Nolle gemeint, der für viele in der CDU ein rotes Tuch ist. Eindeutig positioniert sich auch Michael Kretschmer. Das Landsmannschaftliche sei nebensächlich, meint der CDU-Generalsekretär, wichtiger sei, dass „die besten Leute die wichtigen Aufgaben übernehmen“. Ähnlich sieht es der Leipziger CDU-Abgeordnete Robert Clemen. „Als weltoffenes Land sollte Sachsen um die besten Köpfe ringen.“ Nicht der Geburtsort sei entscheidend, sondern die Qualifikation.
Für die Opposition ist die CDU-interne Ost-West-Debatte ein gefundenes Fressen. „Offenbar steht die Stelle des Ministerpräsidenten kurz vor der Ausschreibung“, lästert die Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau. Ein Regierungschef müsse den Willen und die Fähigkeit zur Kommunikation haben, die Abstammung sei nachrangig. Hermenau: „Natürlich darf es auch ein Sachse sein, wenn er diesen Anforderungen genügt.“
Jürgen Kochinke