Karl Nolle, MdL
SPIEGEL 49/2007, Seite 68, 02.12.2007
"Wir tragen den Schaden"
Die Rettung der Industriekreditbank und der Sachsen LB geht auch zu Lasten der Steuerzahler.
Voll bitterem Spott attackierte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück seinen Gastgeber. "Ich kann schon nachvollziehen, was Sie da machen", sagte er - und blickte auf Friedrich Carl Janssen, einen persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank Sal. Oppenheim.
Das Geldhaus hatte neben Steinbrück etwa 20 Banker in die Frankfurter Villa Kennedy geladen, die nun betreten schwiegen. "Wir tragen den Schaden", schimpfte der Sozialdemokrat, "und Sie kaufen nach und profitieren davon."
Das war am 17. August, einem Freitag, genau drei Wochen nachdem das Desaster bei der Industriekreditbank (IKB) seinen Lauf genommen hatte.
Damals informierte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, dass sein Institut der IKB keine Kredite mehr geben werde. Das Düsseldorfer Institut stand kurz vor der Pleite. Die Manager hatten sich mit US-Hypothekendarlehen verzockt. Der IKB-Hauptaktionär, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), hatte ein riesiges Problem.
Hektische Telefonate folgten, Sondersitzungen des IKB-Aufsichtsrats, des KfW-Vorstands unter der Bankchefin und SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier sowie des Verwaltungsrats, dem Steinbrück vorsitzt. Sanio warnte vor der größten Bankenkrise seit 1931, sollte die IKB pleitegehen. Sein Appell fand Gehör. Eine konzertierte Aktion lief an, die IKB musste Geld bekommen - möglichst schnell und egal wie.
So kam es, dass die KfW, die Bund und Ländern gehört, die maroden außerbilanziellen Geschäfte übernahm - und bis Anfang vergangener Woche insgesamt 4,8 Milliarden Euro für das sieche Unternehmen bereitstellte. Die privaten und die öffentlichen Banken bürgten mit je 500 Millionen.
Damit trug die KfW 83 Prozent der Gesamtlasten dieser Rettungsaktion, obwohl sie gerade mal mit 38 Prozent an der IKB beteiligt ist. Zudem verpflichtete sich die KfW, der IKB eine Kreditlinie von acht Milliarden Euro bereitzustellen.
Die übrigen Anteilseigner sind die Gewinner der Rettung. Zwar brach die IKB-Aktie deutlich ein - aber ohne die Geldspritze wären die Papiere schon vor drei Monaten völlig wertlos geworden. So hielt sich der Schaden, dank der KfW, in einem erträglichen Rahmen. Die Verluste wurden weitgehend sozialisiert.
Einer der Profiteure war Sal. Oppenheim. Unmittelbar nach der Rettung stockte das Geldhaus seinen Anteil von drei auf fünf Prozent auf. Andere, kleinere Anteilseigner taten es ihm gleich.
Korrekter und gerechter wäre es gewesen, das Kapital der IKB zu erhöhen. Die KfW und die übrigen Retter hätten das Geld wegen des Zeitdrucks zunächst garantieren oder vorschießen müssen, bis eine außerordentliche Hauptversammlung die Maßnahme formal beschließt.
Die Anteile der Kapitalgeber hätten sich dann entsprechend ihres Rettungsbeitrags erhöht. Auch mit der Europäischen Union hätte es keinen Ärger gegeben. So aber wittert Brüssel wegen der ungleichen Lastenverteilung eine staatliche Beihilfe für eine private Bank und damit eine Wettbewerbsverzerrung.
Dieser Verdacht wird nun noch erhärtet. Denn die vor drei Monaten geleisteten Rettungsbeihilfen reichen längst nicht mehr aus. Die IKB braucht akut weitere 350 Millionen Euro. Von dem Betrag stellen die KfW und die privaten Banken je 150 Millionen Euro zur Verfügung, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken zahlen 50 Millionen. Die Aktionäre aber werden erneut geschont. Erst wenn weiteres Kapital benötigt wird, sollen auch sie zahlen, sagte Steinbrück nach einer Sondersitzung des Verwaltungsrats der KfW am vergangenen Freitag, bei der das erneute Debakel erörtert wurde. Das könnte bald sein, denn der KfW-Vorstand rechnet mit weiteren Fehlbeträgen von bis zu einer Milliarde Euro.
Matthäus-Maier war anschließend sofort abgetaucht, was Insider als klares Zeichen werten: "Die Frau wird enger geführt." Die Räte hatten zudem beschlossen, der Bankchefin einen voraussichtlich siebenköpfigen Präsidialausschuss vor die Nase zu setzen, um eine effektivere Kontrolle zu gewährleisten. Der Anteil an der IKB soll so schnell wie möglich verkauft werden. "Weg mit Schaden" heißt nun die Devise. Das ändert jedoch nichts daran, dass die KfW den Löwenanteil der Rettungskosten trägt, was ihr eigentliches Geschäft, die Vergabe geförderter Kredite für Studenten, Mittelständler und private Bauherren, womöglich massiv beeinträchtigt.
Auch bei der Sachsen LB zahlt der Steuerzahler die Rechnung. Denn der Freistaat Sachsen hat bei dem Notverkauf des durch die Kreditkrise quasi implodierten Geldhauses an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Risiken weitgehend übernommen.
Wie die IKB hatte auch die Sachsen LB mit aberwitzigen Volumina außerhalb ihrer Bilanz mit riskanten US-Hypothekenkrediten spekuliert. Rund 17 Milliarden Euro und damit mehr als die Hälfte dieser Geschäfte sind in der Dubliner Zweckgesellschaft Ormond Quay gebündelt, für die das Land und die Sparkassen uneingeschränkt haften. Über die Laufzeit der Papiere drohen derzeit Verluste in Höhe von drei bis vier Milliarden Euro.
Bei den übrigen Zweckgesellschaften kommt auf den Freistaat ebenfalls ein hohes Minus zu. Denn die LBBW hat sich ausbedungen, für Verluste nur dann zu haften, wenn sie in 2011 oder später anfallen. Allein in diesem Jahr droht dem Institut laut ersten Berechnungen ein Fehlbetrag von 1,7 Milliarden Euro.
Den trägt das Land. Zwar soll erst am 31. Dezember ermittelt werden, was die LBBW für die Sachsen LB zu zahlen hat. Aber viele Parlamentarier glauben inzwischen, dass da nichts zu holen ist.
"Vermutlich werden wir einen zwei- oder dreistelligen Millionenbetrag an die Württemberger zahlen und eventuell sogar noch weitere Risiken übernehmen müssen", fürchtet Karl Nolle, der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Sachsen LB, "damit die LBBW nicht von der Vereinbarung zurücktritt."
WOLFGANG REUTER