Karl Nolle, MdL

Deutschlandfunk,- Interview, 13.12.2007

"Er ist über alles informiert gewesen"

Finanzexperte Nolle verurteilt Sachsens "Pokerspiele in Dublin"
 
12.12.07, 12:10 Uhr: Der Finanzexperte der in Sachsen mitregierenden SPD, Karl Nolle, hat einen Ausweg aus der Krise der Sachsen LB angemahnt. Erst danach könne man über personelle Konsequenzen sprechen. Man werde dabei nicht vergessen, dass Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) immer über die Vorgänge informiert gewesen sei und die "Zocker und Pokerspieler" gedeckt habe.
(Moderation: Jochen Spengler)

Spengler: Seit Monaten steckt die Landesbank Sachsen in der Krise und das liegt vor allem daran, dass sie am amerikanischen Immobilienmarkt spekuliert hat und sich dabei verspekuliert hat. Im August trat dann ein weißer Ritter auf den Plan, der die Sachsen LB retten, das heißt kaufen wollte: die recht gut betuchte Landesbank Baden-Württemberg LBBW. 250 Millionen Euro hat sie schon mal an Eigenkapital spendiert, doch nun steht der Verkauf, der eigentlich am 1. Januar erfolgen sollte, wieder in Frage.

Am Telefon in Dresden ist nun Karl Nolle, Landtagsabgeordneter und Finanzexperte der sächsischen SPD, die ja gemeinsam mit der CDU des Ministerpräsidenten Milbradt die Staatsregierung stellt. Guten Tag Herr Nolle!

Nolle: Guten Tag.

Spengler: Herr Nolle, wie sieht Ihr Ausweg aus der Krise der sächsischen Landesbank aus, Ihr Ausweg als Finanzexperte?

Nolle: Da wird es nicht nach meinen Vorstellungen gehen, sondern jetzt liegen Vorstellungen der beiden Vertragspartner von Sachsen und von Baden-Württemberg auf dem Tisch und die liegen extrem weit auseinander. Sie haben in jedem Falle Riesenkonsequenzen für Sachsen, ganz egal was für eine Lösung gefunden wird, und man muss jetzt versuchen, am Verhandlungstisch sich irgendwo auf der Mitte der Interessen beider Seiten zu treffen. Es geht auch nur darum, jetzt eine solche Lösung zu finden, die irgendwie ein Ergebnis bringt, denn wir müssen bis Sonntag die Lösung haben. Es wird alternativ dann nur eine schreckliche Lösung für die Bankenlandschaft in der Bundesrepublik rauskommen, wenn die Bank geschlossen werden muss. Eine schreckliche Lösung und ein Desaster für Sachsen ist es allemal.

Spengler: Ist die Alternative tatsächlich entweder höhere Staatsschulden für Sachsen, damit dann allerdings Rettung der Sachsen LB, oder das Aus für die Bank?

Nolle: Ja natürlich. Eine andere Alternative gibt es nicht. Die Frage ist, ob die Sachsen es alleine stemmen können. In der Größenordnung, wie es jetzt besprochen wird, mit über vier Milliarden ist dies wohl kaum möglich. Die Frage ist auch, ob wir in der kurzen Zeit noch Partner finden, die möglicherweise uns dabei unterstützen wollen, weil niemand hat das Interesse, dass in Deutschland ein Erdbeben in der Bankenlandschaft passiert, was auch andere Banken lawinenartig mit sich in einen Strudel zieht. Hier haben die Sachsen durch ihre Pokerspiele in Dublin Schuld auf sich geladen und sie werden natürlich auch in den saueren Apfel beißen müssen. Das bedeutet, dass wir auf Jahre gesehen, ganz egal was für ein Ergebnis kommt, Belastungen für den Haushalt haben. Die sonnige Zeit des ausgeglichenen Haushalts in Sachsen ist ein für allemal vorbei.

Spengler: Wer muss denn dafür politisch Verantwortung übernehmen?

Nolle: Über die politische Verantwortung reden wir dann, wenn alles in trockenen Tüchern ist. Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, dass wir eine gemeinsame Lösung finden. Das ist eine Notsituation. Da stehen alle zusammen und da müssen alle zusammenstehen. Und wie ich sehe tut das auch die Opposition. Wir werden gemeinsam nicht nur die Daumen drücken, sondern auch versuchen, unsere Verhandlungskommission darin zu unterstützen, dass sie das beste rausholen, was rauszuholen geht. Nach der wirtschaftlichen Abrechnung kommt natürlich dann immer auch etwas anderes und das werden wir nicht vergessen.

Spengler: Heißt das dennoch, dass die SPD im Moment in Treue fest zu Ministerpräsident Milbradt (CDU) steht?

Nolle: Man kann das vielleicht so sagen: Wir stehen in Treue fest zu dieser Koalition. Eine Koalition ist eine Vereinbarung zwischen Parteien und nicht zwischen Personen und es wird zu gegebener Zeit darüber zu reden sein, wie es weitergeht.

Spengler: Das heißt, dass sie nicht unbedingt am Ministerpräsidenten selbst festhalten wollen. Trägt er denn Ihrer Ansicht nach als früherer Finanzminister irgendeine Verantwortung für das jetzige Desaster?

Nolle: Ministerpräsident Milbradt ist der Architekt dieser Bankenkonstruktion, der Entwicklung von der Landesbank, von der konservativ engagierten Landesbank hin zu einer Kapitalmarktbank. Er hat die Zocker und Pokerspieler, die die Milliarden in zweistelliger Milliardenhöhe zu verantworten haben, in Dublin immer gedeckt. Er ist über alles informiert gewesen. Die Bank ist sein liebstes Kind. Er muss jetzt sozusagen den Scherbenhaufen registrieren, den dieses Engagement für Sachsen eingebracht hat.

Spengler: Warum fordern Sie dann nicht seinen Rücktritt?

Nolle: Das ist gar nicht die Stunde, in der jetzt Rücktritte gefordert werden. Wir müssen jetzt eine Lösung finden für Sachsen. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Wir konzentrieren uns auf die Lösung. Wir wollen Sachsen und die Sachsen LB in trockenen Tüchern und danach werden wir über die Weiterungen sprechen. Seien Sie versichert, dass wir das nicht vergessen werden.

Spengler: Könnte es sein, dass es Neuwahlen gibt?

Nolle: Wenn Sie sagen "könnte". Es gibt immer eine Möglichkeit, dass es Neuwahlen gibt. Die Frage ist, ob es dafür ein Verfahren und eine Mehrheit gibt, so etwas zu beschließen. Das sind aber Dinge, die heute noch überhaupt nicht zu diskutieren sind. Jetzt haben wir noch drei Tage Zeit, um die schwierige Lösung des Problems zu finden, und danach werden wir uns ganz sicherlich in vielfältiger Form über die Zukunft Gedanken machen müssen.

Spengler: Karl Nolle, Landtagsabgeordneter, Finanzexperte der sächsischen SPD, heute im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch!

Nolle: Auf Wiederhören.