Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.12.2007

„Das Polster ist groß genug“

Nach Notverkauf der Landesbank sieht Finanzminister Tillich keine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Sachsen
 
Dresden. Trotz der Milliarden-Bürgschaft für die SachsenLB sind nach Ansicht von Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) auch künftig keine Investitionen in Gefahr. „Das Haushaltspolster ist groß genug, die Lage des sächsischen Budgets ist vergleichsweise komfortabel.“ Straßenbau, Kitas oder auch Wirtschaftsansiedlungen blieben finanzierbar. Gleichzeitig mahnte Tillich zu mehr Sachlichkeit. „Je länger wir darüber reden, umso größer ist die Wirkung nach außen.“

Frage: Über zwölf Stunden haben Sie in der Nacht zum vergangenen Donnerstag um den Erhalt der Landesbank gerungen. Wie ernst war die Lage?

Stanislaw Tillich: Die Situation war äußerst ernst. Das lässt sich schon daran ablesen, dass die Gespräche bei der Bankenaufsicht in Frankfurt/Main stattfanden und der Chef der Bundesbank selbst anwesend war. Schließlich ging es darum, das Aus für die Landesbank Sachsen abzuwenden. Wäre uns das nicht gelungen, hätte das enorme Auswirkungen auf den Bankenstandort Deutschland insgesamt gehabt – und nicht nur für uns im Freistaat.

Regierungschef Georg Milbradt hat gesagt, das Ergebnis der Verhandlungen mit den Schwaben sei bitter, aber besser als erwartet. Was trifft die Sache eher: bitter oder akzeptabel?

Beides trifft zu. Im August hatten wir eine Grundlagenvereinbarung beschlossen, mit der beide Seiten leben konnten. Allerdings hatten sich die Märkte in der Zwischenzeit massiv verschlechtert. Deshalb forderte die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) eine zusätzliche Risikoabsicherung, die um ein Mehrfaches über dem dann ausgehandelten Kompromiss lag. Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis akzeptabel. Bitter ist aber die Tatsache, dass die Bank vor einem Jahr noch Erfolge vorweisen konnte, jetzt aber gibt es massive Verluste weltweit.

Sachsen muss eine Gewährleistung für mögliche Ausfälle in Höhe von 2,75 Milliarden schultern. Wie hoch ist das faktische Risiko für den Freistaat?

Die LBBW spricht selbst von einer Absicherung, die das reale Risiko deutlich übersteigt. Dies ist nötig, um die Papiere bis zur Endfälligkeit zu halten. Dennoch müssen wir damit rechnen, dass ein Teil in Anspruch genommen wird. Wie viel dies am Ende sein wird, lässt sich derzeit nicht konkret sagen – wegen der Turbulenzen am Markt und wegen der zum Teil langen Laufzeiten der Papiere.

Opposition und sogar der Koalitionspartner SPD sehen das anders. So sprach SPD-Mann Mario Pecher kürzlich von hunderten Millionen, die sofort fällig werden könnten.

Da scheinen andere mehr zu wissen als diejenigen, die selbst bei den Verhandlungen dabei waren.

Baden-Württemberg brüstet sich damit, den Preis für die Landesbank von über 800 auf rund 300 Millionen gedrückt zu haben – also ein Verlust für Sachsen von einer halben Milliarde. Stimmt das?

Nein. Bei den Gesprächen ging es um alle Tätigkeitsbereiche der Landesbank. Um das Paket abzuschließen, ist ein Barkaufpreis von 328 Millionen Euro vereinbart worden. Darauf bereits angerechnet sind 500 Millionen zur Risikoabsicherung des Teils der Kreditgeschäfte, der bei der Bank verbleibt.

Opposition und auch Kammern befürchten, dass durch die Milliarden-Bürgschaft Investitionen für die Wirtschaft verloren gehen. Sind Industrieansiedlungen in Zukunft gefährdet?

Die Gefahr besteht nicht. Wir können nach Abzug der Garantie für die SachsenLB im kommenden Jahr noch für rund 650 Millionen Bürgschaften vergeben. Das ist deutlich mehr, als die rund 160 Millionen, die wir in den vergangenen Jahren im Durchschnitt ausgereicht haben. Und selbst wenn ein Teil der Bürgschaft fällig würde, ist das Haushaltspolster groß genug. Die Lage des sächsischen Budgets ist vergleichsweise komfortabel, so dass wir nicht in beschlossene Ausgaben eingreifen müssen. Straßenbau, Kitas oder auch Wirtschaftsansiedlungen bleiben finanzierbar. Das Ergebnis überfordert uns nicht. Ich werde vorschlagen, dass wir die nötigen Rückstellungen aus Steuermehreinnahmen finanzieren.

Hat der Finanzstandort Sachsen als ostdeutsches Musterland Schaden genommen?

Je länger wir darüber reden, umso größer ist die Wirkung nach außen. Die finanzielle Situation in Sachsen ist jedoch weiter stabil. Und mit der Einigung von Donnerstag sind die Probleme handhabbar.

Klar vernehmbar aber ist die Häme von CDU-Seite aus anderen Ländern, aus Thüringen zum Beispiel.

Selbstverständlich wird ein Musterschüler, der Fehler macht, härter kritisiert. Mit der wirklichen Lage aber hat das nichts zu tun.

Wie ist die Stimmung in der Sachsen-CDU? Wird der Kompromiss akzeptiert?

Ich glaube, bei allen Schmerzen, die der eine oder andere hat, wird die Verantwortung für den Standort Sachsen, ja für den deutschen Bankenstandort insgesamt am Ende überwiegen. Ich rechne mit einer über die Koalition hinaus gehenden Zustimmung.

Wie angeschlagen ist Milbradt?

Erst muss die Krise der SachsenLB aufgearbeitet werden. Erst wenn man konkret die Ursachen und die Verantwortlichen für die missliche Situation der Bank kennt, kann man über die Rolle der Politik reden. Aber eines lässt schon jetzt sagen: Die Bank wurde nicht von der Staatsregierung geführt, sondern von dafür qualifizierten Vorständen.

Es gibt Spekulationen über mögliche Nachfolger Milbradts, und dabei fällt neuerdings zunehmend Ihr Name. Stehen Sie zur Verfügung für den Fall der Fälle?

Der Finanzminister mit der kürzesten Amtszeit zu werden, habe ich nicht vor.
Auch die Sparkasse Leipzig hat offensichtlich akute Probleme, es droht ein Verlust in Millionenhöhe. Woran liegt das?

Ich kenne die aktuelle Meldung dazu auch. Dazu kann man nur sagen, das gesamte öffentliche Sparkassenwesen wird derzeit hart vom Wettbewerb gefordert. Damit sinkt die Gewinnerwartung. Die spezielle Lage in Leipzig aber muss erst noch geprüft werden.

Interview: Jürgen Kochinke