Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 03.01.2008

Schicksalsmonat - CDU bangt um Mitbradts Zukunft und die Macht im Lande

Kommentar von Hubert Kemper
 
Wie ein Machtwechsel funktioniert, weiß Georg Milbradt noch bestens. Damals, im Januar vor sechs Jahren, startete er zum Finale eines beispiellosen Comebacks. Körperlich in Bestform, in der Partei perfekt vernetzt und strategisch klug beraten, betrieb er den Sturz von Kurt Biedenkopf, der ihn ein Jahr zuvor als Finanzminister entlassen hatte. Am 17.01.2002, am Ende einer langen Serie kleiner Affären, verkündete Biedenkopf seinen Rücktritt. Drei Monate später übernahm Milbradt das Zepter.

Vieles deutet darauf hin, dass der Januar erneut ein Schicksalsmonat für Milbradt und die sächsische Union werden kann. Und so ungewiss wie der Ausgang der Hängepartie um den Ministerpräsidenten ist die Frage, ob ihm seine Erfahrungen aus der Ablösung von ,,König Kurt" in seinem politischen Überlebenskampf dienen können. Sechs Jahre im höchsten Regierungsamt haben ihre Spuren hinterlassen. Milbradt hat sich nicht geschont. Doch niemand sollte seine Kampfkraft und seine Kondition unterschätzen.

Als Parteivize und Finanzminister reiste Milbradt viel durchs Land. Seinen Einfluss nach dem Rauswurf durch Biedenkopf, auch seine Zeit, nutzte er, um die Basis zu streicheln. Die entschied sich beim Duell um den CDU-Vorsitzfür ihn, den Westfalen, und nicht für Biedenkopfs Mann, den Sachsen Steffen Flath. Heute muss Milbradt die Provinzfürsten eher fürchten. Denn als Bauherr einer gescheiterten Landesbank wirft er lange Schatten auf ihre eigenen Wahlchancen im Juni.

Mit dem Verlierernimbus könnten die CDU und ihr Chef ein Weilchen (über)leben. Objektiv mag Milbradt keine Mitverantwortung für das Bank-Debakel nachzuweisen sein. In dem eigenen Lager ist kein Rivale sichtbar, der gegen ihn rebellieren würde. Und die SPD redet über Verantwortung für das Land, denkt aber laut darüber nach, dass ihr ein geschwächter Milbradt nützlicher sein könnte als ein unbelasteter Nachfolger, in dessen Glanz sie verblassen würde.

Doch erträgt die machtverwöhnte CDU einen Mann an der Spitze, der sich von seinem ZehnProzent-Partner vorführen lässt? Gelingt es Milbradt heute wie vor sechs Jahren, Parteigänger auf seine Seite zu ziehen, die er oftmals oberlehrerhaft zurechtgewiesen hat? Geht die Solidarität mit dem spröden, fachlich so glänzenden Regierungschef zu Ende, wenn der Kraftakt Kreisreform bewältigt ist?

Sachsen steht vor spannenden Wochen, der Ausgang ist ungewiss. Nachfolge-Kandidaten wie Steffen Flath oder Stanislaw Tillich halten sich dezent zurück – für den Tag, an dem einer springen muss.