Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 11.01.2008
Kinderschutzgesetz: Milbradt scheitert im ersten Anlauf
Unzufriedene CDU-Landtagsabgeordnete: Wie weiter, falls Milbradt wegen der Landesbank-Affäre gehen muss?
Der Regierungschef und die Kommunen sind uneinig über Strafen und Hilfen für verantwortungslose Eltern.
Eigentlich wollte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) gestern mit einer Erfolgsmeldung punkten und das leidige Thema des Notverkaufs der Landesbank weiter in den Hintergrund drücken. Es blieb beim Versuch.
Der sogenannte „Kinder-Gipfel“, zu dem der Regierungschef alle Landräte und Oberbürgermeister nach Dresden eingeladen hatte, um ein Maßnahmepaket für den besseren Schutz von Kindern gegen Missbrauch und Gewalt zu schnüren, endete ohne handfestes Ergebnis. Milbradt hatte versucht, die Kommunen von einem neuen Kinderschutzgesetz zu überzeugen, mit dem regelmäßige ärztliche Untersuchungen zwingend vorgeschrieben sind. Ebenfalls geplant ist eine Meldepflicht für erkannte Kindesmisshandlungen. Zudem sollen sich Ärzte oder Familienrichter trotz Schweigepflicht notfalls direkt an die Jugendämter wenden dürfen. „Kein Kind darf durch Bürokratie oder übertriebenen Datenschutz in Gefahr geraten“, mahnte Milbradt im Anschluss in die Kameras und Mikrofone der Medien.
250-Euro-Prämie im Gespräch
Warum ihm die Kommunen im ersten Anlauf die Zustimmung verweigerten, behielt der Regierungschef allerdings für sich. So lehnen zum Beispiel die Landräte das neue Gesetz, welches für jährliche Mehrkosten von etwa 50 Millionen Euro sorgen würde, nicht grundsätzlich ab, im Gegenteil. Neben der offenen Finanzierungsfrage wollen sie aber zuvor auch geklärt wissen, mit welchen Sanktionen künftig Eltern belegt werden können, die sich nicht an die neuen Vorgaben halten. So fordert der Landkreistag unter anderem, die Nichteinhaltung von Arztbesuchen mit der Kürzung des Kindergelds zu bestrafen.
Ein anderer Vorschlag kam hinter den verschlossenen Konferenztüren von den Städten. Diese setzen statt auf Sanktionen auf finanzielle Anreize. So könnte es künftig bis zu 100 Euro Prämie geben, wenn Eltern die ersten drei der neun Pflichtuntersuchungen ihrer Kinder wahrnehmen. Werden am Ende alle Termine eingehalten, sollen noch mal bis zu 150 Euro gezahlt werden. Unterm Strich sei das nicht nur billiger. Vor allem würde man auf die Weise die wirklichen Problemfamilien erreichen, die oft zur einkommensschwächsten Bevölkerungsgruppe gehören. Weil all diese Vorschläge aber aufgrund der schwierigen Rechtslage nicht sofort umsetzbar sind, treten die Kommune auf die Bremse. Ein wirkungsloses Gesetz, das nur dem Stimmenfang in der Öffentlichkeit diene, wolle man nicht, hieß es. Zunächst soll eine Arbeitsgruppe ran. Milbradt rechnet nun erst in „zwei bis drei Monaten“ mit Ergebnissen.
Aber auch sonst war es nicht sein Glückstag. So wurde jetzt bekannt, dass sich am Wochenende unzufriedene CDU-Landtagsabgeordnete im Chemnitzer Edellokal „Hecker-Art“ getroffen hatten – darunter Umweltminister Roland Wöller. Das Thema der Runde: Wie weiter, falls Milbradt wegen der Landesbank-Affäre gehen muss? Der Regierungschef selbst schwieg sich zu diesem Punkt gestern lieber aus.
Von Gunnar Saft