Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.01.2008

Von „Gemag“ bis „Topas“ – viele Quellen für Schlapphüte

Neue Erkenntnisse in Aktenaffäre / V-Mann „Jaguar“ im Leipziger Rathaus / Leistungsprämie für Ex-OK-Referatsleiterin
 
Dresden. In der Affäre um Geheimakten des sächsischen Verfassungsschutzes galt es bisher als ausgemacht, dass die Ermittler im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) schlampig gearbeitet haben. Die ehemalige Leiterin des OK-Referats beim Verfassungsschutz habe die Affäre aufgebauscht, so die Lesart von Staatsregierung und internen Prüfern seit Monaten, ein Ex-OK-Ermittler bei der Leipziger Polizei habe als zentrale Geheim-Quelle firmiert – als V-Mann mit dem Decknamen „Gemag“. Fazit: Die Fakten seien „manipuliert“, die Quellen „vergiftet“. Die Affäre sei keine, hatte nicht zuletzt Regierungschef Georg Milbradt (CDU) immer wieder gesagt.

Neue Erkenntnisse lassen diese Verteidigungsstrategie zumindest an einigen Punkten als fraglich erscheinen. Nach Recherchen dieser Zeitung handelte es sich bei dem Leipziger Polizisten zwar in der Tat um „Gemag“. Dieser aber habe nicht als klassischer Informant, als V-Mann, firmiert, heißt es aus Ermittlerkreisen in Dresden, sondern nur als halboffizielle Auskunftsperson, die erst zu einem späten Zeitpunkt bereits bekannte Vorgänge bestätigt habe. Und vor allem: Den Decknamen „Gemag“ hätten die Verfassungsschützer ebenso als Fallbezeichnung benutzt; hinter dem Kürzel verberge sich somit nicht nur der Polizist, es gebe weitere Quellen.

Dies scheint nicht zuletzt ein Blick auf andere, hochinterne Decknamen im OK-Bereich der Verfassungsschützer zu belegen. So fußt der Leipziger Komplex in den 15 600 Seiten offenbar auch auf Informationen einer Geheimquelle namens „Jaguar“. Dahinter verberge sich ein klassischer V-Mann, heißt es aus Ermittlerkreisen, dieser sei in der Stadtverwaltung in Leipzig beschäftigt gewesen. Darüber hinaus gebe es weitere Informanten sowie Fallkomplexe, die Codenamen lauteten unter anderem „Asterix“, „Passion“ oder auch „Topas“. Letzterer allerdings betreffe nicht Leipzig, sondern Dresden.

Wie ernst die Führung des sächsischen Verfassungsschutzes die Informationen des eigenen OK-Referats zeitweise genommen hat, demonstriert ein internes Schreiben des Amtes vom September 2006. Damals erhielt die jetzt inkriminierte Ex-Referatsleiterin noch eine Leistungsprämie in Höhe von 2383,25 Euro – wegen ihrer „über das normale Dienstgeschäft weit hinausgehenden Einsatzbereitschaft“. Mittlerweile laufen Ermittlungen gegen sie wegen falscher Verdächtigungen.
Jürgen Kochinke